Dass man auch nach zwanzig Bandjahren neue Wege einschlagen und neugierig bleiben kann, beweist das Quintett Tram des Balkans mit seinem aktuellen Album. Für En Cavale hat sich die Band aus Lyon mit der Sängerin Mélissa Zantman zusammengetan. Ein Glücksfall für alle Beteiligten – und nicht zuletzt für die Fans von klug kombinierter Musik aus vielen Ländern.
Text: Guido Diesing
Tram des Balkans mit Mélissa Zantman
Foto: Renaud Vezin
Ihre musikalische Bandbreite hat die Band über die Jahre immer wieder erweitert. Am Anfang spielten Klezmer und osteuropäische Musik die wichtigsten Rollen, obwohl keiner der Musiker entsprechende Wurzeln hat. „Die Musik hat uns einfach gefallen. Wir mögen die große Gefühlspanne, die Klezmer ausdrücken kann – von sehr fröhlich bis sehr traurig, oft innerhalb von einer Minute. Vor allem auf der Bühne ist es reizvoll, das Publikum auf eine emotionale Reise mitzunehmen. Aber wir lieben es auch, die Musik für andere Einflüsse zu öffnen.“ Bester Beweis für die gewachsene Vielfalt: In den dreizehn Songs des neuen Albums wird auf Bulgarisch, Finnisch, Italienisch, Georgisch und Hebräisch gesungen.
Überhaupt ist der Stellenwert des Gesangs durch den kompetenten Gast noch weiter gestiegen. „Singen ist eine sehr direkte Form der Kommunikation zwischen uns, aber auch mit dem Publikum“, sagt Gaffet. „Mélissa ist wirklich eine großartige Sängerin und hat auch uns gesanglich auf ein neues Niveau gebracht. Wir können jetzt interessantere und schwierigere Sätze singen.“ Dabei hilft eine Besonderheit des Projekts: En Cavale wird weitgehend akustisch aufgeführt. Alle Bandmitglieder versammeln sich um ein einziges Mikrofon auf der Bühne und regeln die Dynamik dadurch, dass sie sich ihm nähern oder weiter von ihm entfernen – wie in den alten Zeiten. „Dafür müssen wir sehr gut aufeinander hören, um eine gute Balance zu erreichen. Das hat einen großen Effekt auf unseren Klang“, schwärmt Vincent Gaffet und blickt schon voraus: „Auch unser nächstes Projekt in der Fünferbesetzung wird davon profitieren, dass wir uns und unsere Ohren und Augen geöffnet haben.“
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