Vertrauen als Kooperations­basis

Die Berliner Agentur Handshake Booking

31. Mai 2022

Lesezeit: 4 Minute(n)

Viele große Künstler, Künstlerinnen und Bands der internationalen Folk-, Jazz- und Weltmusikszene sind bei deutschen Agenturen unter Vertrag, einige der wichtigsten davon haben ihren Sitz in der Hauptstadt. Darunter auch Handshake Booking, ansässig in Kreuzberg.
Text: Wolfgang König

Moritz Rosin gründete das Unternehmen Anfang 2011, da war er schon ein gestandener Profi. Erste Erfahrungen im Tourneegeschäft hatte er bei Wizard Promotions gesammelt, wo es vor allem um Rockbands ging. Da ihn aber Jazz und Weltmusik mehr interessierten, wechselte er zu Prime Tours in Berlin, wo er dieses Metier gründlich kennenlernte.

Als Rosin dort ausstieg, bekam die Managerin der Jazzsängerin Céline Rudolph das mit und fragte ihn, ob er Lust hätte, ihr Konzerte zu vermitteln. Damit wurde sie die erste Künstlerin des neuen Unternehmens. Kurz danach kam eine weitere Sängerin hinzu: China Moses, mit der der Booker zuvor schon als Angestellter gearbeitet hatte. Sie war mit ihrem neuen Ansprechpartner nicht glücklich und folgte Rosin in seine eigene Agentur. Schon bald war das neue Team ausgelastet. Heute gehören zum Kundenstamm so unterschiedliche Acts wie Omar Sosa und Cimafunk aus Kuba, die in Schweden lebende deutsche Kontrabassistin Eva Kruse, die anglojamaikanische Saxofonistin Chelsea Carmichael oder der kamerunische Sänger Blick Bassy.

„Mit unseren Acts arbeiten wir grundsätzlich ohne Vertrag.“

Auf die nicht unbedingt branchentypische Arbeitsweise von Moritz Rosin und seinem Team geht auch der Firmenname zurück. „Als ich in unserer Gründungsphase nach einem Namen suchte, fiel mir eine Geschichte aus meinen letzten Monaten als Angestellter ein. Ich hatte ein Konzert bei Michael Musiol im Freiburger Jazzhaus eingefädelt. Michael rief mich am Tag der Show an und meinte, seine Abendleitung hätte ihm gesagt, für das Konzert läge kein Vertrag vor, und das ginge doch nicht. Darauf hätte er gefragt: ‚Mit wem hast du das Konzert vereinbart? Mit Moritz Rosin? Dann ist das schon okay, da reicht der Handshake.‘ Das fiel mir ein, als ich – wie so oft, wenn ich gute Ideen bekomme – unter der Dusche stand. Und ich wusste: ‚Handshake Booking‘ – das ist es, wofür wir stehen, Arbeit auf Vertrauensbasis. Mit unseren Acts arbeiten wir grundsätzlich ohne Vertrag, und das vielfach schon seit Jahren, einfach nur per Handshake.“ Das ist alles andere als naiv, denn wenn ein Künstler nur bei seiner Agentur bleibt, weil ein Vertrag ihn dazu zwingt, ist die Arbeit für keine der beiden Seiten vergnügungssteuerpflichtig.

In der Anfangsphase waren die Künstlerinnen und Künstler von Handshake Booking in erster Linie im deutschsprachigen Raum ansässig und wurden auch in diesen Ländern vermittelt. Inzwischen arbeitet die Agentur global und hat ihre Acts schon nach Asien, Afrika, Nordamerika und sogar nach Neuseeland geschickt. Auch stilistisch ist Handshake heute breiter aufgestellt. „Den Begriff ‚Weltmusik‘ mag ich ja, wie die meisten anderen, die in dem Metier tätig sind, ohnehin nicht wirklich“, meint Rosin. „Er ist so schwammig, dass letztlich alles in diese Schublade gepackt werden kann. Bei vielen unserer Künstler und Künstlerinnen sprechen wir darum von Global Pop. Nehmen wir mal jemanden wie Blick Bassy. Was er macht, das würden Mainstreamhörer in Deutschland wahrscheinlich nicht als Popmusik ansehen, sondern ‚nur‘ als Weltmusik. Aber in seiner Heimat Kamerun ist es genau das – Pop.“

Da trifft es sich gut, dass mehr und mehr Festivals die stilistischen Scheuklappen ablegen und genreübergreifend arbeiten, weil die Grenzen ohnehin immer mehr verschwimmen. Ein ideales Beispiel ist der Handshake-Künstler Omar Sosa. Der virtuose Pianist kann lupenreinen Jazz spielen, ist tief in der afrokubanischen Tradition verwurzelt, hat aber auch mit Rappern und westafrikanischen Musikschaffenden gearbeitet. Ist das Jazz, Hip-Hop oder Weltmusik? Wer will das sagen?

Covid-19 mit dem Aus für den Veranstaltungsbetrieb war natürlich auch für Handshake Booking ein Schock. „Aber dann ist uns klar geworden“, meint Moritz Rosin, „wie privilegiert wir hier in Deutschland sind, denn wir sind vom Staat einigermaßen aufgefangen worden, was ja nicht überall passiert ist. Wir haben auch versucht, unseren Künstlern und Künstlerinnen, die ja freiberuflich tätig sind, so gut es möglich war zu helfen, zum Beispiel mit Überbrückungskrediten.“ Ohne Blessuren ging es allerdings auch bei Handshake nicht ab. Der eigene Veranstaltungsort, der Auster-Club in Kreuzberg, musste geschlossen werden, weil das Restaurant, mit dem Handshake einen Untermietvertrag hatte, pandemiebedingt aufgab. Und ob sich noch einmal eine so gut geeignete Location und dann auch zu erschwinglichen Konditionen bieten wird, steht in den Sternen.

Während des Lockdowns Däumchen zu drehen, war nicht die Sache von Moritz Rosin und seinem Team. „Uns war völlig klar, dass wir nicht einfach untätig herumsitzen können. Wir machen diese Arbeit ja nicht nur fürs Geld – sonst würden wir mit anderer Musik viel mehr verdienen. Um nicht in Berlin zu versauern, haben wir also in Honigsee bei Kiel, wo mein Geschäftspartner Julian Hölscher inzwischen lebt, auf seinem Hof ein kleines Festival gestartet, die Honey Lake Sessions. Das war offiziell ein privates Event im Freien, darum wurde es von den Behörden akzeptiert. Wir hatten die Bühne selber gebaut, nur Freunde und Bekannte eingeladen, und am Ende waren zweihundert Leute da. Daraus ist inzwischen eine jährliche Veranstaltung mit regulärem Kartenvorverkauf und Abendkasse geworden.“

In den nächsten Monaten wird das Handshake-Team wie praktisch alle Agenturen und Veranstaltenden einen Berg liegengebliebener Dinge abarbeiten. Und irgendwann im nächsten Jahr wird es hoffentlich auch wieder die Möglichkeit geben, sich um neue spannende Projekte zu kümmern.

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