Vierzig Jahre Initiative Kunst & Kultur Northeim

Die große Welt der Musik in einer kleinen Region

4. Januar 2024

Lesezeit: 3 Minute(n)

Man kann Zahlen sprechen lassen oder das Herz – beide Wege führen zu einem überschwänglichen Ergebnis: Ende des Jahres 2023 sind es über 670 Konzerte, Lesungen und Ausstellungen, die ein relativ kleiner Kreis von Kulturbegeisterten an 55 verschiedenen Spielstätten in einer ländlich geprägten Region durchgeführt hat. Und quer durch alle Genres gibt es an vielen Orten auf der Welt Musikschaffende, Konzertvermittelnde, Tourmanagerinnen und Tontechniker, bei denen der Name Northeim schöne Erinnerungen hervorruft an gleichermaßen professionelles wie leidenschaftliches und mutiges Engagement für Musik jenseits des Mainstreams.
Text: Jens-Peter Müller

Einer der Musikschaffenden ist Ulli Bögershausen. Der Gitarrist, der heute ganz in der Nähe von Northeim in der Kleinstadt Uslar lebt, wurde 1984 zum ersten Mal für ein Konzert in den Muthaussaal der Burg Hardegsen eingeladen. Zwar, so erinnert er sich in seinem Beitrag für das Jubiläumsbuch Begegnungen (siehe Rezension in folker #1.22), sei er damals schon seit drei Jahren Profimusiker gewesen, aber: „Im Grunde genommen kannte mich fast niemand in Deutschland, geschweige denn in der Welt und wohl auch nicht in Hardegsen.“

Fünf Jahre waren da vergangen, seit die beiden Gründungsväter der Initiative, Andreas Kohrs und Klaus Hoheisel, im Dezember 1979 das erste erfolgreiche Konzert mit dem Gitarristen Peter Finger veranstaltet hatten. Damals noch „eher tastend und ohne vereinsrechtlichen Hintergrund“, wie Hoheisel über die Anfänge ihrer bis heute ausschließlich ehrenamtlichen Arbeit erzählt. „Als wir nach dem ermutigenden Start bei den nächsten Konzerten merkten, es geht alles sehr gut, ob bei Kolbe + Illenberger, Cochise oder Le Clou, und das auch an verschiedenen Orten, haben wir 1983 den Verein gegründet.“

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Die Gitarre spielte gerade in den Anfangsjahren eine große Rolle im Programm der Initiative, wobei die stilistische Bandbreite immer größer wurde. Auf Martin Kolbe und Ralf Illenberger, die Anfang der Achtziger auf dem Höhepunkt ihrer Karriere waren, folgten – um nur einige zu nennen – William Ackerman & Alex de Grassi, Claus Boesser-Ferrari, natürlich Werner Lämmerhirt und David Qualey, aber auch David Lindley, Ralph Towner (solo sowie mit der Gruppe Oregon) oder 2018 der junge südkoreanische Virtuose Sungha Jung.

Schnell war dem Publikum klar, dass die Veranstalter musikalische Gäste einluden, für die es sich lohnen würde zu kommen, auch wenn kaum jemand bisher von ihnen gehört hatte. So hatten Kohrs und Hoheisel auch für die hohe Qualität in Deutschland anfangs noch gänzlich unbekannter nordischer Künstler, Künstlerinnen und Gruppen wie Groupa, Kari Bremnes, Susanne Lundeng, Karl Seglem, Terje Isungset und Suden Aika den richtigen „Riecher“. Zu den immer wieder eingeladenen Kulturschaffenden, denen die Veranstalter über die Jahre oft freundschaftlich verbunden sind, zählen unter anderem die australische Band Naked Raven, die amerikanische Frauenband The Tiptons, der englische Singer/Songwriter Allan Taylor, der Saxofonist Büdi Siebert und sogar Free-Jazz-Ikonen wie das Duo aus Schlagzeuger Günther „Baby“ Sommer und Gitarrist Helmut „Joe“ Sachse. „Dreißig, vierzig Besucher kommen eigentlich immer. Oft liegen wir bei achtzig bis hundert, je nach Veranstaltungsort und Gruppe auch bei mehreren Hundert Zahlenden“, berichtet Hoheisel. „Es ist schön, wenn sich Menschen nach dem Konzert bedanken und sich freuen, etwas erlebt zu haben, was sie noch nicht kannten. Und das hautnah!“

„Hutkonzerte oder Auf-Kasse-Spielen hat es bei uns nie gegeben.“

Über die Jahre sind unverzichtbare, verlässliche Strukturen geschaffen worden, gerade was Finanzierung und Fördermittel betrifft. „Hutkonzerte oder Auf-Kasse-Spielen hat es bei uns nie gegeben“, betont Hoheisel, der selbst als Musiker in der Northeimer Band Front Porch Picking aktiv ist. Das gilt auch für die besonderen, manchmal sehr kleinen Spielstätten und Kooperationspartner auf dem Land, die die Vereinsmitglieder mit ihrer Erfahrung und Begeisterung unterstützen und motivieren. Auch die regionale Musikszene aus dem Großraum Northeim-Einbeck-Göttingen bekommt immer wieder Raum in den Programmideen der Initiative.

Weit über die Grenzen Northeims hinaus bekannt ist der Name des Tonmeisters Günter Pauler und seines Stockfisch-Labels. Er sorgt seit der ersten Stunde mit für den guten Ton bei vielen Veranstaltungen und die Vermittlung renommierter Stockfisch-Acts wie Andy Irvine und Hannes Wader. Sein Tonstudio liegt im Gewölbekeller des tausend Jahre alten Klosterkomplexes St. Blasien. 2016 wurde der Bürgersaal durch seine Fachkenntnis so saniert, dass er jetzt als kulturelles „Wohnzimmer“ der Initiative zur Verfügung steht. Auch dazu herzlichen Glückwunsch!

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