Aus für das Kate Wolf Music Festival

Die Liebe bleibt

6. September 2022

Lesezeit: 6 Minute(n)

Es galt als eines der beliebtesten Folkevents in den USA. Zum 25-jährigen Jubiläum verkündete das Organisationsteam des kalifornischen Kate Wolf Music Festivals jedoch schweren Herzens das Ende. Der folker hatte die Gelegenheit, mit Hannah Wolf, Tochter der berühmten Folksängerin, über den langanhaltenden Erfolg des Festivals und die große Popularität ihrer Mutter zu sprechen.
Text: Erik Prochnow

Es war ein bewegender Abschied. Als die texanische Bluessängerin Ruthie Foster gemeinsam mit dem kalifornischen Singer/Songwriter Keith Greeninger und den rund fünftausend Besucherinnen und Besuchern traditionell zum Ende des Festivals Kate Wolfs berühmtestes Lied „Give Yourself To Love“ anstimmten, standen nicht wenigen Tränen in den Augen. Die viertägige Veranstaltung demonstrierte noch einmal eindrucksvoll, warum sie zu einer der herausragenden im Folk-, Americana- und Blues-Bereich in den USA zählte. „Viele kamen jedes Jahr hierher, weil sie die familiäre Atmosphäre, die herzliche Gemeinschaft, Kates Musik, das exzellente Line-up und die Umgebung in der Natur liebten“, sagt Hannah Wolf, Tochter der 1942 in San Francisco geborenen Pionierin des zeitgenössischen American Folk, die mit 44 Jahren viel zu früh verstarb. Mit der 25. Ausgabe fiel jedoch am 26. Juni endgültig der Vorhang des Events, dessen Authentizität und hippieske Atmosphäre gerade bei Musikern und Musikerinnen so populär war. Viele große Namen wie Joan Baez, Jackson Browne, Emmylou Harris, Indigo Girls, Keb Mo oder Donovan traten dort auf. Auch in diesem Jahr präsentierten die über sechzig Konzerte auf vier Bühnen noch einmal viele Highlights wie Taj Mahal, Ani DiFranco, Bruce Cockburn, Tom Paxton oder Mary Gauthier.

 

 

„Niemand hat eine solche Entwicklung erwartet. Mit der ersten Veranstaltung wollten wir nur an Kates Musik und die American-Folk-Szene hier in Kalifornien erinnern“, blickt Hannah Wolf zurück. Zusammen mit ihrem Bruder Max, Kates Partner Terry Fowler und der Eventfirma Cumulus Presents brachte sie 1996, zehn Jahre nach dem Tod ihrer Mutter, die erste Veranstaltung auf die Bühne. Damals fand alles noch sehr klein im Sonoma County außerhalb San Franciscos statt, wo ihre Mutter gelebt hatte. Die Resonanz wuchs allerdings so rasant, dass das Festival 2001 auf die Black Oak Ranch im nordkalifornischen Laytonville umzog und Cumulus allein die Organisation übernahm.

„Sie hatte das Talent, zeitlose Gefühle auszudrücken, sodass sich alle in ihren Liedern wiederfinden können.“

Inzwischen müssen die Veranstaltenden allerdings ihrem zunehmenden Alter Tribut zollen. „Ein Festival in dieser Größe ist logistisch und finanziell eine enorme Herausforderung“, weiß Hannah Wolf. Nicht zuletzt wegen der beiden vergangenen Pandemieabsagen und der unsicheren Zukunft sowie aufgrund gesundheitlicher Probleme hätte das Organisationsteam deshalb mit dem diesjährigen Jubiläum das Aus verkündet. Doch in dem Ende sieht die 55-Jährige auch etwas sehr Positives: „Es gibt kaum Musikerinnen und Musiker wie meine Mutter, deren Werk solange lebendig gehalten wurde.“ In der Tat ist das Kate-Wolf-Festival in den 25 Jahren nie einfach nur ein exzellentes Folk- und Bluesevent gewesen. Im Mittelpunkt stand nicht nur beim Abschlusssong immer auch die Musik der Namensgeberin. „Ein fester Bestandteil des Festivals waren die sogenannten ‚Round Sessions‘, in denen Menschen aus Kates künstlerischem Umfeld Geschichten aus der gemeinsamen Zeit erzählten und ihre Lieder sangen“, erinnert sich Hannah Wolf. Zudem wurden die Künstler und Künstlerinnen gebeten, bei ihren Konzerten jeweils einen Song von Kate zu interpretieren. „Das änderte sich erst später, da man Stars wie K. D. Lang oder Mavis Staples nicht vorschreiben kann, was sie zu singen haben.“

Grafik 25 Jahre Kate Wolf Music Festvial
Publikum beim Kate Wolf Music Festival

Während Kate Wolf in Deutschland meist nur Folkfachleuten bekannt ist, hat sie die amerikanische Szene weit über ihren Tod hinaus maßgeblich beeinflusst. Sowohl mit ihrer Musik, ihrer Unabhängigkeit im Musikbusiness als auch ihrer emanzipierten Haltung war sie eine Wegbereiterin. Noch heute bedauern viele, dass sie auf der Höhe ihres kreativen Schaffens starb. Bis Mitte der Achtzigerjahre stieg Wolf von einer lokalen Musikerin zu einer nationalen Größe auf. Ein Meilenstein war ihr begeisterndes Konzert für die renommierte Sendung Austin City Limits im Herbst 1985, das landesweit im Fernsehen ausgestrahlt wurde. Nur wenige Monate später wurde bei ihr Leukämie diagnostiziert, und Wolf starb im Dezember 1986. Bis dahin schrieb sie über zweihundert Lieder, von denen 76 auch posthum auf 13 Studio- und Livealben erschienen. Bis heute werden Songs wie „Across The Great Divide“, „Friend Of Mine“ oder „Love Still Remains“ gerne gecovert. Letzteres brachte Emmylou Harris sogar eine Grammy-Nominierung ein. „Ihre Lieder sind sehr melodisch und erinnern in ihrer Einfachheit an den frühen Folk des neunzehnten Jahrhunderts“, sagt Hannah Wolf, die in ihrer Freizeit im Chor der San-Francisco-Symphoniker singt. Zudem lieben die Menschen Kate Wolfs warme, volle Stimme und die Texte. Hannah Wolf: „Sie hatte einfach das Talent, zeitlose Gefühle auszudrücken, sodass sich alle in ihren Liedern wiederfinden können.“

„Sie war so aufrichtig wie eine Wildblume.“

Doch nicht nur ihre Musik, sondern vor allem auch die Art und Weise, wie Kate Wolf ihr Leben lebte, ist mit ein Grund dafür, warum die Folksängerin bis heute viele Menschen bewegt und inspiriert. „Sie folgte ihrem Traum, egal wie schwer es war, und begegnete der Welt mit einem offenen Herzen. Mit ihren Fans war sie immer in engem Kontakt“, berichtet Hannah Wolf. Für die Folklegende Tom Paxton war ihre Botschaft immer Liebe, und der politisch engagierte Musiker Utah Phillips, der viel mit Kate zusammenarbeitete, beschrieb sie als „so aufrichtig wie eine Wildblume“.

Kate Wolf and The Wildwood Flower

Zur Musik kam Kate Wolf mit 26 erst spät. Da war sie bereits verheiratet und hatte zwei Kinder. Ende der Sechziger traf sie im kalifornischen Big Sur auf einige junge Folkmusiker und -musikerinnen, die ihre eigenen Songs schrieben. Wolf lernte von ihnen das Gitarrespielen und begann, selbst zu komponieren. Viel wichtiger aber noch: Sie wusste sehr schnell, dass sie Musikerin werden wollte. So trennte sie sich freundschaftlich von ihrem Mann Saul Wolf und zog 1971 ins Sonoma County. Dort lebte sie zunächst sechs Monate in ihrem Auto, bevor sie eine Wohnung fand und Arbeit bei einer Zeitung. An den Wochenenden kümmerte sie sich um ihre Kinder. Sonst schrieb sie Musik und trat mit ihrer Band The Wildwood Flower auf, die sie mit ihrem zweiten Mann, dem Mandolinenspieler Don Coffin, gegründet hatte. „Als Mutter war sie eine sehr starke Feministin, was Anfang der Siebzigerjahre nicht einfach war, schon gar nicht, wenn man Mann und Kinder für die eigene Karriere verlässt“, sagt Hannah Wolf anerkennend. „Sie musste das tun. Außerdem habe ich sie immer als Geschäftsfrau im Musikbusiness in Erinnerung.“ Denn in einer Zeit, in der es viel schwieriger war als heute, die eigene Musik zu produzieren, gründete Kate Wolf ihr eigenes Label Owl Records. Darauf veröffentlichte sie ihre ersten beiden Alben Back Roads und Lines On The Paper. Darüber hinaus war sie politisch aktiv. Sie war in Jackson Brownes „No-Nukes“-Kampagne involviert und setzte sich für benachteiligte Gruppen wie etwa die Native Americans oder für die Umwelt ein. Bezüge zur Natur ziehen sich durch fast alle ihre Texte. „Für mich ist die Natur so heilsam, weil man realisiert, wie viel Liebe in ihr ist“, fasste die Künstlerin in ihrem letzten Interview ihre große Nähe zur Natur zusammen.

Sich durch Folksongs auszudrücken, war Kate Wolfs Leidenschaft. „Es ist dein ganzes Leben, es ist, als ob man die ganze Zeit mit weit offenen Sinnen lebt“, beschrieb sie ihr Dasein als Musikerin. Hannah Wolf erinnert sich, dass dieser Drang, Einfälle sofort festzuhalten, schon einmal dazu führen konnte, dass sie während Autofahrten am Steuer gleichzeitig Notizen auf Zettel schrieb. „Doch ihre Offenherzigkeit, gerade im Umgang mit anderen Menschen, hat sie auch sehr verletzlich gemacht und erschöpft“, sagt sie weiter über ihre Mutter. Doch für Kate Wolf schien es immer einen größeren Sinn zu geben. „Ich lebe für das Gefühl, das ich jederzeit mein Leben beenden kann und spüre, dass es sinnvoll war“, reflektierte sie kurz vor ihrem Tod.

Auf diesen Pfeilern der inneren Unabhängigkeit, der Liebe für die Musik und dem Leben für einen Sinn gründete auch das Festival zu ihren Ehren. Gerade weil es die Menschen zusammengebracht hat, kann es daher enden. Ohne das Kate Wolf Music Festival wird der Folkszene zwar etwas Bedeutendes fehlen. Doch damit entsteht auch Raum für Neues. Denn die Musik, vor allem die Kate Wolfs, lebt weiter.

www.katewolf.com
www.katewolfmusicfestival.com

Aktuelle Alben:
  • Live In Mendocino (Owl Records, 2018)
  • An Evening in Austin (Rhino Records, 1989)
  • Poet’s Heart (Kaleidoscope Records 1985; Owl Records 2020)
  • Give Yourself To Love (Kaleidoscope Records 1983; Owl Records 2020)
Videolinks:
Aufmacher Foto:

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