Die unvergleichliche Kraft der Musik, die amerikanische Geschichte zu erzählen

Kolumne

24. Januar 2025

Lesezeit: 5 Minute(n)

1964 attackierte die große Sängerin und Pianistin Nina Simone die Gewalt der weißen Vorherrschaft scharf, nachdem im Jahr zuvor bei einem Bomben­anschlag auf eine Kirche in Birmingham, Alabama, vier schwarze Mädchen getötet worden waren. Ihr Lied „Mississippi Goddam“ war ein Schlag ins Gesicht.
Text: Ryan Heinsius

Es war US-Präsidentschaftswahljahr und die Bürgerrechtsbewegung in vollem Gange. Künstler wie Simone, Harry Belafonte, Mahalia Jackson oder Sam Cooke lieferten den mitreißenden Soundtrack für den sozialen Wandel. Für mich ist diese Ära der beste Beweis für das politische und soziale Bewusstsein, das wesentlich zu US-amerikanischer Musik gehört, und für ihre unvergleichliche Kraft, mit universellen Themen Geschichten zu erzählen, die das Verständnis unter den Menschen fördern.

Das Jazzgenie eines Miles Davis oder Dizzy Gillespie war das perfekte Vehikel, um die soziale Ordnung umzugestalten. Die Erzählungen Woody Guthries, der den Staub der Straße und das Leben auf Wanderschaft kannte, und der progressive Humanismus Pete Seegers bereiteten den Weg für die Geschichten der Unterdrückten und Übersehenen. CSNYs 1970er-Breitseite „Ohio“ prangerte das Massaker der Nationalgarde an der Kent State University an, und Merle Haggards viel diskutiertes „Okie From Muskogee“ erzählte die Geschichte eines anderen Amerika, das nicht gegen den Vietnamkrieg protestierte und keine LSD-Trips machte.

Aber es waren die MC5 aus Detroit, die den Soundtrack für das harte Vorgehen der Chicagoer Polizei gegen Demonstranten auf dem Parteitag der Demokraten 1968 lieferten – ein Moment, der die Spannungen jenes hitzigen Präsidentschaftswahljahres widerspiegelte.

Wenn er sich für einen Auftritt in eine potenziell nicht sehr gastfreundliche Gegend begebe, tue er sein Bestes, um nicht zu provozieren. Er halte sich meist bedeckt und mache seinen Job. Aber über einigen Livekonzerten schwebe immer noch eine nervöse Ungewissheit. „Ich will keine Spannungen als Teil des kreativen Prozesses“, sagt Andrew. „Kreativität fließt, und sie kann nicht fließen, wenn ich Widerstand verspüre. Dieser Widerstand besteht darin, dass die Leute mich ansehen und fragen: ‚Wen hast du gewählt?‘ Ich spiele Musik, um in einen Flowzustand zu kommen und kreativ zu sein und, ehrlich gesagt, um Freude zu verbreiten. Und wie soll man Freude verbreiten bei dem, was gerade los ist?“

Andrew ist gewiss nicht der einzige Musiker, der die sich vertiefende Spaltung der amerikanischen Kultur wahrnimmt. Der in Phoenix, Arizona, ansässige Singer/Songwriter Nolan McKelvey spürt das ebenfalls. „Im Moment scheinen die Hysterie und Polarisierung zwischen den Menschen stärker zu sein als je zuvor in meinem Leben“, sagt er. Auch Nolan ist ein alter Freund und genauer Beobachter der amerikanischen Gesellschaft und Politik. Er hat hochaktuelle Songs geschrieben, zuletzt über Eric Garner, George Floyd und andere People of Color, die durch die Polizei zu Tode kamen. „Es ist unvermeidlich, dass eine Präsidentschaftswahl, insbesondere diese, einen Einfluss darauf hat, wie man schreibt, worüber man nachdenkt und was man der Welt präsentiert“, erklärt er.

Nolan spielt mit einer Vielzahl anderer Musikschaffender in der Bluegrass- und Folkszene von Phoenix. Er hat die Erfahrung gemacht, dass die meisten Kolleginnen und Kollegen es einfach vermeiden, über Politik zu sprechen. Für ihn sei das in gewissem Sinne ein Segen, da es der Musik erlaube, ein Refugium zu sein. „Wir müssen lernen, wie wir gemeinsam schöne Musik machen können“, sagt er mit einem Lachen und räumt die scheinbare Naivität dieses Gefühls ein.

Aber vielleicht ist es wirklich so einfach. Vielleicht muss die USA nur darauf warten, dass das Parteienfieber abklingt und die Leute aus dem gesamten politischen Spektrum wieder zusammenkommen und sich gegenseitig als Mitmenschen sehen können. Und wenn es jemals ein perfektes Mittel gab, um scheinbar unüberbrückbare Gräben zu überwinden, dann ist es die Musik. Ich persönlich setze darauf. Aber lassen Sie uns darüber noch einmal nach dem 5. November sprechen.

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Aufmacher:
Ryan Heinsius am Set der Tiny Desk Concerts bei NPR

Foto: Ryan Heinsius

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