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Der Sänger Luka Bloom steht zwischen den Generationen. Der 1955 mit bürgerlichem Namen Kevin Barry Moore in Newbridge, County Kildare, geborene irische Songwriter ist mit Musik von Ralph McTell, John Martyn oder Planxty aufgewachsen. In seinen eigenen Songs und dem beeindruckenden Gitarrenspiel lenkt er die Folktraditionen in neue Richtungen und verleiht ihnen mitunter das Flair von Jazz, Rock und Punk. Das Jahr 2022 nutzte er, um für sein neues Dreifachalbum Wave Up To The Shore fünfzig Lieder aus fünf Jahrzehnten neu einzuspielen – puristisch nur mit Gesang und Gitarre. Mit diesem kommt er im April auf Deutschlandtour. Was denkt diese Irish-Folk-Ikone über die aktuelle heimische Szene? Was war früher besser? Und was ist für junge Musikerinnen und Musiker heute leichter? Genug Themen, um mit dem Künstler ein Interview zu führen.
Interview: Udo Hinz
Nach fünf Jahren kommst du im April wieder auf Tournee nach Deutschland. Wie hast du die letzten Jahre erlebt?
Obwohl die Welt zwei Jahre lang stillstand, ist so viel passiert. Die Welt ist jetzt ein anderer Ort, mit vielen neuen Herausforderungen. Doch eines brauchen wir immer noch: Lieder. Die Geschichte erzählt uns, was in der Welt passiert ist. Lieder erzählen uns, wie wir uns gefühlt haben, als diese Dinge passiert sind. Und so singe ich immer noch meine Songs. Sie überleben.
Konntest du die Coronazeit künstlerisch nutzen?
Ja, während der dunklen Coronajahre habe ich drei Platten herausgebracht. Im Februar 2020 erschien ein Livemitschnitt aus dem De Roma, einem wunderschönen alten Theater in Antwerpen – es war ein magischer Abend. Bittersweet Crimsonist mein letztes Studioalbum, das im Juli 2020 veröffentlicht wurde und eigentlich im selben Jahr auch live präsentiert werden sollte. Während der Pandemie beschloss ich dann, ein rein instrumentales Album zu Hause zu produzieren, das ohne Worte all die Emotionen jener Jahre widerspiegelt. Das Ergebnis, Out Of The Blue, ist die dritte Platte meiner Covidtrilogie.
Dein neuestes Werk heißt Wave Up To The Shore. Wie viel von deiner jugendlichen Liebe zum Irish Folk steckt darin?
Das neue Album feiert fünfzig Jahre Songwriting. Es enthält fünfzig Songs aus fünfzig Jahren, in denen ich Lieder geschrieben und gelernt habe. „Wave Up To The Shore“ verfasste ich 1972 im Alter von sechzehn Jahren. In dieser Platte steckt etwas von meiner Liebe als Jugendlicher zur irischen Volksmusik, zum Punk als junger Erwachsener sowie von meiner erwachsenen Liebe zu Jazz, afrikanischer, nordafrikanischer Musik. Es ist alles da!
Wer waren deine Vorbilder als junger Musiker?
Nick Drake, John Martyn, Bob Dylan, Joni Mitchell, Leonard Cohen, Ralph McTell, James Taylor, Neil Young, Planxty – um nur ein paar Namen zu nennen.
Was hat dich damals an diesen Künstlern und Künstlerinnen und der irischen Folkmusik inspiriert?
Mich inspirierte die Vorstellung, dass ich ein Leben in der Musik führen könnte, indem ich etwas tue, das ich bereits liebe. Ich konnte nicht nur alte irische Lieder lernen, sondern auch anfangen, meine eigenen Lieder zu schreiben. Das liebe ich, und es beeindruckt mich immer noch.
Findest du das in der heutigen jungen Szene noch?
Es gibt bei vielen jungen Musikern und Sängerinnen eine neue Liebe zur alten irischen Musik und zum Gesang. Es gibt junge Sängerinnen und Sänger in ihren Zwanzigern, die großartigen Versionen von alten Liedern machen. Das finde ich wirklich aufregend.
Was macht die heutige Szene besser oder anders als deine Generation?
Die Musikerinnen und Musiker sind heute freier, einfach sie selbst zu sein. Sie schaffen ein Arbeitsleben in der Musik, ohne auf die Zustimmung von Plattenfirmen angewiesen zu sein. Das ist eine unglaubliche Herausforderung – aber potenziell auch befreiend.
Vermisst du etwas bei den aktuellen Musikschaffenden?
Vieles, was heutzutage geschrieben wird, ist unglaublich fade und langweilig. Die Leute singen wirklich leidenschaftlich und laut über nichts von Bedeutung. Und es scheint, je fader und langweiliger ein Song ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass er Erfolg hat. Aber vielleicht war das in der Mainstreamwelt schon immer so. Ich habe das Gefühl, dass Bands, Sängerinnen und Sänger karriereorientierter sind als früher. Das mag klischeehaft klingen, aber früher gab es mehr Seele. Wir waren mehr durcheinander, aber zugleich auch mehr miteinander verbunden.
Luka Bloom
Foto: George Kabus
Welche Künstlerinnen und Künstler beziehungsweise Bands findest du derzeit spannend?
Im Moment finde ich Susan O’Neill, Wallis Bird oder Ye Vagabonds großartig. Wer weiß, was die Zukunft bringt …
Wie hat sich die irische Szene in den letzten Jahren verändert?
Wir haben mehr Veranstaltungsorte und mehr Festivals. Es gibt viele neue, talentierte Leute. Es sind aufregende und herausfordernde Zeiten, in denen wir leben.
Du stehst sozusagen zwischen der alten und der jungen Garde. Spürst du diese beiden Pole? Fühlst du dich manchmal als Vermittler zwischen den Generationen?
Ich denke nie über mich selbst in irgendeiner bedeutenden Weise nach. Ich bin recht alt und doch sehr naiv. Ich habe nur das Heute, und das ist alles, was mich interessiert.
Passt du dich teilweise an die aktuelle Szene und die Umstände an?
Nein. Ich habe weder eine Verbindung zu noch Interesse an einer „Szene“. Ich würde eine solche auch nicht erkennen.
Wie siehst du die aktuelle Situation der Folk- und Liveclubs?
Ich spüre, dass viele Leute genug haben von großen Veranstaltungen. Sie sind froh, Musik und Lieder in einer intimeren Umgebung zu erleben, die mit ihrem Wohnort verbunden ist. Ich liebe das. Ich liebe intime Gigs.
Früher hast du in der Form des Albums mit seiner eigenen Dramaturgie gedacht. Heute laden Musikfans einzelne Songs aus dem Internet herunter. Verändert das dein Denken als Künstler?
„Dramaturgie“ ist ein schönes Wort. Ich lade nichts herunter und streame nichts – ich kaufe Vinyl und CDs. Und ich veröffentliche selber Vinyl und CDs. Ich bin ein Dinosaurier, ein glücklicher Dinosaurier.
Wie siehst du die Zukunft der Genres Irish Folk und Singer/Songwriter in Irland?
Die Zukunft ist rosig. Ich brauche vielleicht eine Sonnenbrille. Ich hoffe, dass ich weiterhin ein Teil dieser Zukunft sein werde. Denn dieses Leben in Liedern ist das beste Leben. Ich bin sehr privilegiert. Uns Sängern und Sängerinnen steht nichts zu. Niemand hat uns gebeten, diesen Beruf auszuüben. Ich habe mir das ausgesucht. Es ist meine Freude und meine Bürde. Wir Singenden müssen dankbar sein, jeden Tag. Wir müssen jeden Tag unser Bestes tun, um Freude, Liebe und ein wenig Wahrheit in eine verrückte Welt zu bringen.
Aktuelles Album:
Wave Up To The Shore (Big Sky Records, 2022)
Videos:
„Wave Up To The Shore“: www.youtube.com/watch?v=rRoZ2Pumimk
„City Of Chicago“: www.youtube.com/watch?v=EhOLcM3if6w
Albumlinks:
Live At De Roma: www.lukabloom.bandcamp.com/album/live-at-de-roma-3
Bittersweet Crimson: www.lukabloom.bandcamp.com/album/bittersweet-crimson
Out Of The Blue: www.lukabloom.bandcamp.com/album/out-of-the-blue
Termine:
17.04.23 Frankfurt, Brotfabrik
18.04.23 Düsseldorf,Savoy-Theater
20.04.23 Hamburg, Fabrik
21.04.23 Worpswede, Music Hall
23.04.23 Berlin, Columbia-Theater
24.04.23 Dresden, Jazzclub Tonne
25.04.23 München, Ampere
27.04.23 Gefrees, Konzertscheune
Details auf www.folkerkalender.de
Tickets: www.kj.de/artist/1953/Luka_Bloom.html
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