Audio mp3: »Musik mit Saiten und Tasten im Gesamtpaket«, 5:25 min
„Nyckelharpa“ – ein Begriff, der sich für deutsche Ohren lustig anhört, für schwedische aber so wie für Deutsche „Schlüsselfiedel“*. Wenn man nicht weiß, dass mit „Schlüssel“ die Tasten gemeint sind, mit denen man die Melodiesaiten abgreift, die gleichzeitig mit einem Bogen gestrichen werden, mag auch der deutsche Name in die Irre führen. Für Jule Bauer klingt beides schön, genau wie das englische „keyed fiddle“.
* In der Nyckelharpaszene wird anhand historischer Quellen wie zum Beispiel Martin Agricola in der Musica Instrumentalis deudsch von 1529 oder Michael Praetorius im Syntagma Musicum von 1619 die Schreibweise „Schlüsselfidel“ bevorzugt.
Text: Michael A. Schmiedel
1978 geboren, hat Jule Bauer von klein auf gern gesungen und schon früh verschiedene Instrumente wie Gitarre, Kontrabass und Klavier erlernt. Als junge Frau kam sie zur Nyckelharpa. Letztlich bevorzugt sie das schwedische Wort, weil es zugleich die internationale Bezeichnung ist. Ihre Musikerkollegen Marco Ambrosini und Dirk Kilian brachten sie darauf, sie probierte sie aus und begründet ihre Begeisterung mit den Worten: „Ich fand und finde nicht nur den Klang großartig, sondern auch das Gefühl, dass dieses Streichinstrument direkt vor dem Bauch beziehungsweise Oberkörper zu spielen ist. Als Sängerin ist es auch genial, ein quintgestimmtes Instrument zu spielen, mit dem ich mich super beim Gesang begleiten kann.“ Die Haptik sagte ihr also ebenso zu wie der Klang.
„Für mich war es wichtig zu wissen, dass es ein Drang von innen heraus ist.“
Der Umgang mit einem quintgestimmten Instrument war für sie einerseits neu, aber andererseits sagt sie: „Seltsamerweise fiel mir Gesangsbegleitung mit der Nyckelharpa von Anfang an leichter als mit meinen anderen Instrumenten.“ Nach Jahren, in denen sie sich hauptsächlich mit Gesang beschäftigt hatte, fesselte sie der erneute Umgang mit einem Instrument, auf dem sie nun auch wieder Instrumental- beziehungsweise geradezu Kammermusik spielte. Aus ihrer Sicht „ist [das] unglaublich bereichernd, da es eine ständige Herausforderung und ein nicht endender Weg ist“.
Interesse an Sprachen, Kulturen und auch am Hintergrund der Musik ließ Bauer Musikwissenschaft und Musikpädagogik studieren. Im Hinblick auf Weiterbildung für die Nyckelharpa, die man vor allem in Schweden verorten würde, besuchte sie jedoch das European Nyckelharpa Training im italienischen Forlimpopoli und einen Aufbaustudiengang mit Konzertexamen für Nyckelharpa am Musikkonservatorium in Cesena, ebenfalls in Italien. Auch hat ihr Studium in Italien ihren sprachlichen Horizont erweitert und der Mitaufbau der europäischen Nyckelharpaszene sie mit vielen „tolle[n] Leuten“ in Kontakt gebracht.
Was Jule Bauers Musikgeschmack angeht, so bezeichnet sie diesen als sehr offen. „Ich habe eine große Liebe für historische, speziell auch traditionelle Musik, aber ich höre auch gerne Rock, elektronische Musik, Hip-Hop, Soul, Funk …“ Ihre Eltern hatten ihr über Schallplatten schon früh Liederjan, Ougenweide, Reinhard Mey, Peter, Paul and Mary, Hannes Wader, die Beatles und Antônio Carlos Jobim nahegebracht. Musik ist für sie nicht nur Beruf, sondern ein Gesamtpaket, und ihre Liebe dazu ist sehr groß. „Für mich war es ganz wichtig zu wissen, dass es ein Drang von innen heraus ist“, erklärt sie und ist daher offen dafür, sich in unterschiedlichen Stilistiken zu bewegen, wenngleich sie derzeit hauptsächlich Alte und traditionelle Musik macht. Bands, in denen Bauer aktuell spielt, sind unter anderem Herzgespann, ORO, Triskilian, Nyckelharpatrio Passerelle, Lingua:Lyra, Ensemble Evas Äpfel, MetaMorPhonica.
Ihre Instrumente bezieht sie vor allem von Annette Osann, die aus Augsburg stammt, heute aber in Dole in Frankreich lebt, und deren Klang und Tastaturfunktionsweisen sie liebt. Zudem besitzt sie eine von Alexander Pilz aus Leipzig gebaute Rekonstruktion einer Nyckelharpa, die auf einer Abbildung aus Siena von 1408 basiert. Und apropos „Gesamtpaket“: Dazu passt auch ihre Kleidung, die meistens von Get Natural stammt, mit dessen Inhaber sie liiert ist. „Da ich bei einigen Modellen meine Meinung und Ideen mit einbringen kann, ist es für mich natürlich toll dann die Prototypen der Sachen zu tragen“, sagt sie. Auch der Schreiber dieser Zeilen liebt das Sortiment und freut sich, auf dem Mittelalterlichen Markt zu Weihnachtszeit in Siegburg seinen Stand besuchen und sich dann passend gewanden zu können.
Gefragt nach herausragenden Momenten ihres Musikerinnenlebens, erwähnt Bauer ein Konzert mit René Clemencic, einem Wegbereiter der historischen Musik, dann das Examenskonzert in Cesena. „Da steckte so viel tolle Energie und Herzblut von meinen Mitstudentinnen und mir drin, das war schon magisch“, schwärmt sie. Ebenso erfüllte sie die Überreichung durch den Verlag ihres ersten eigenen Nyckelharpalehrbuches bei dessen Präsentation auf Burg Fürsteneck mit viel Freude. Erinnerungen an schwierige Momente, wie „an ein Festival an dem es so stürmte, dass wir mit vielen Leuten die Bühnenpfeiler stützen mussten, damit die Bühne nicht wegweht oder zusammenkracht und womöglich Menschen verletzt“, werfen sie dabei nicht aus der Bahn. Es überwiegen für Jule Bauer die schönen Erinnerungen, ohne die sie diesen Beruf auch nicht ausüben würde. Mögen noch viele dazukommen.







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