Riksscenen, Oslo, 25. – 28. 11. 2021
Nach einer Onlineversion im Jahr 2020 hatten sich die Ausrichtenden von Folkorg zu einer Liveveranstaltung entschlossen, und das schien auch logisch zu sein, denn in Oslo und damit auch bei Folkelarm trug zum Zeitpunkt des Stattfindens so gut wie niemand eine Maske. Alles normal soweit? Darüber kann man angesichts der nach Folkelarm (aber nicht wegen Folkelarm!) rapide steigenden Inzidenzwerte in Norwegen trefflich geteilter Meinung sein, nicht aber über die Qualität der Veranstaltung.
Text: Mike Kamp
Nun ist Folkelarm nur bedingt ein normales Festival. Man sieht sich selbst als Organisator von Konzerten und Seminaren, als ein Branchentreffen, ein Tanzfest. Und nicht zuletzt ist der Oslo Kappleik Teil des Wochenendes, also die Leistungsschau der lokalen traditionellen Sängerinnen und Sänger, Instrumentalisten und Instrumentalistinnen, Tänzerinnen und Tänzer. Das alles findet, wie immer in den letzten Jahren, in dem beneidenswert funktionalen Veranstaltungsort Riksscenen statt, mit seinen drei unterschiedlich großen Räumen plus dem Restaurant (wegen Corona geschlossen, also doch nicht alles normal?) und dem Lavvoen, der großen Kote vor dem Gebäudeeingang, die der unverstärkten Musik vorbehalten war und durch den Holzofen in der Mitte eine besondere Atmosphäre ausstrahlte.
Und dann waren da noch die norwegischen Folkelarmpreise, die am ersten Abend verliehen wurden. So wurde die Joikerin Marja Mortensson zur Folkmusikerin des Jahres gewählt und die Hardangerfiedlerin Britt Pernille Frøholm für das Soloalbum des Jahres ausgezeichnet. Für die nationalen und internationalen Delegierten jedoch waren die zahlreichen halbstündigen Präsentationskonzerte wesentlich interessanter, die 21 Gruppen oder Solistinnen und Solisten aus den skandinavischen Ländern bestritten. Dabei waren auch durchaus hierzulande bekannte Acts wie das Floating Sofa Quartet oder der samische Künstler Vassvik. Auch das finnische Trio Pauanne hat bereits ein Album beim deutschen Label CPL-Music veröffentlicht und wusste mit seinen „22 Sängerinnen, die leider schon alle tot sind“ zu überzeugen, nämlich auf das Wirkungsvollste in die modernen Klänge von Drums, Keyboard und Fiddle integrierten Feldaufnahmen.
Ungewöhnlich war es, bei Folkelarm waschechte Americanaklänge zu erleben, aber der US-Amerikaner Jeff Wasserman residiert schon seit vielen Jahren in Oslo und hat für seine attraktiven und oft nachdenklichen Songs eine kompetente Gruppe von lokalen Musikerinnen und Musikern um sich versammelt. Ebenso exotisch kommt die Gruppe Al Andaluz daher. Nomen est omen, und die Klänge des Sextetts um Gründer Sverre Jensen sowie die charismatische Sängerin Liv Ulvik (auch Mitglied bei Eplemøya Songlag) kamen durchaus authentisch rüber.
Wesentlich eher mit dem Folkelarm assoziert man Gruppen wie das junge Trio Törn aus Schweden, das mit Violine, Nyckelharpa und Cello völlig neue und spannende Klänge auf Basis der Traditionen ihres Heimatlandes produzierte. Ebenfalls aus Schweden stammte ein weiterer Höhepunkt: Katarine Barruk. Die jetzt in Oslo lebende Joikerin kann beides: Im Zelt joikte sie akustisch und vermittelte bei ihren englischsprachigen Moderationen ihr Verhältnis zur samischen Sprache sehr intim und packend. Später im größten Konzertsaal umgab sie sich mit einer vierköpfigen Band (plus passenden visuellen Effekten) und zeigte, dass ihre Art von poppigem Joik auch auf den großen Festivalbühnen ein spannendes Erlebnis wäre.
Folkelarm war eine willkommene Oase in der Coronawüste und zeigte, wie sehr wir uns alle nach einer Art musikalischer Normalität sehnen.
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