Internationales Africa Festival

Ein Festival so bunt wie das Leben feiert Geburtstag, Talavera Mainwiesen, Würzburg, 30.5.-2.6.2024

2. August 2024

Lesezeit: 4 Minute(n)

Das Würzburger Africa Festival, das älteste und größte seiner Art in Europa, feierte in diesem Jahr sein 35-jähriges Bestehen und stand unter dem Motto: „Different Colours – One People“. Trotz ausverkaufter Dauerkarten und mehrerer sehr gut besuchter Abendkonzerte blieb der erwartete Zuschauerstrom am langen Fronleichnamswochenende 2024 allerdings aus.
Text: Christoph Schumacher; Fotos Bugs Steffen

Mit – vom Veranstalter angegebenen – 25.000 Besuchenden an allen Tagen wurden die Erwartungen nur zur Hälfte erfüllt. Ob es nun am regnerischen und kühlen Wetter oder am erhöhten Tageseintrittspreis von 15 Euro lag, bleibt Spekulation. Noch vor einigen Jahren benötigten die Würzburger nur für die Abendkonzerte Eintrittskarten.

Im sogenannten Rahmenprogramm gab es zahlreiche Verkaufsstände, an denen allerlei Kunsthandwerk, Schmuck, Mode, Instrumente und viele schöne Dinge mit afrikanischem Ursprung oder Designanklängen angeboten wurden. Daneben gab es ein reichhaltiges kulinarisches Angebot, einen Kinderbereich, ein Arte-Open-Air-Kino sowie eine offene Bühne mit unterschiedlichsten Darbietungen. Dort wurden an allen Tagen unter einem großen runden Zeltdach mit einem hölzernen Tanzboden vor der Bühne Mode und Musik präsentiert sowie Geschichten erzählt.

An drei Tagen erfreuten hier die Musiker, Tänzer und Akrobaten der ghanaischen Gruppe Adesa nicht nur die Kinder mit ihren lustigen und fröhlichen Liedern und Geschichten. Wie das Festival feierte auch Adesa, zu Deutsch „Menschheit“, seinen 35. Geburtstag. Seit 1989 sind sie in Würzburg recht kontinuierlich im Nachmittagsprogramm vertreten. Nicht zuletzt entspricht die Gruppe, die mittlerweile in Deutschland heimisch geworden ist, mit ihrer Show markant einem Konzept des Festivals, mittels Musik Kulturen zu verbinden. Ihr Lied „Wie die Finger an der Hand, gehören wir zusammen“ entstammt dem Selbstverständnis einer afrikanisch-europäisch-multikulturellen Gesellschaft, die sich hier alljährlich auf dem Festival trifft.

Das Musikprogramm der offenen Bühne bot jeweils um 14.00 und 17.00 Uhr – vor und nach der Performance von Adesa – ein einstündiges Konzert. Mit dabei waren am Donnerstag Kandara Diebaté aus dem Senegal sowie Sänger, Gitarrist und Songwriter Moh! Kouyaté aus Guinea, am Freitag der in Ghana geborene Weltmusiker Adjiri Odametey und das Musikerkollektiv Santrofi aus Ghana, am Samstag der Balafon spielende Musiker Mamadou Diabaté und seine Percussion Mania sowie der deutsche Reggaemusiker Jahcoustix. Am Sonntag schließlich spielten hier die afrodeutsche Musikerin Sarah Akuma aus Köln und der junge Singer/Songwriter Melchi Vepouyoum aus Kamerun, der allerdings seit 2016 in Bonn lebt.

Der Mix aus Newcomern auch aus der afrodeutschen Musikszene und westafrikanisch geprägten Klängen passte gut in den Nachmittag und ließ das Wetter und die Temperaturen vergessen. So wurde aus purer Lebensfreude auch abseits des Tanzbodens auf der aufgeweichten, schlammigen Mainwiese getanzt. Abends konnte man zu Live- oder DJ-Sounds mal Salsa, Afrobeat oder Reggae als Tanzbegleitung genießen. Spätestens hier, beim „Havana Club Revival“, machte der Tanzboden vor der offenen Bühne dann wirklich Sinn.

Ndlovu Youth Choir

Den Konzerten auf der eher spärlich überdachten Bühne hätte eine etwas größere Fläche und eine entsprechend höher gehängte Beschallungsanlage gutgetan. Das Arte-Open-Air-Kino mit großer Leinwand und adäquat installiertem Soundsystem darf da ruhig Vorbildcharakter haben. Santrofis energiegeladener, moderner Highlife rockte die Mainwiese daher mit ein wenig angezogener Handbremse. Wobei den Tonleuten am Mischpult ein riesiges Lob auszusprechen ist für den durchgehend sehr transparenten Klang. Ein Lob, welches bei den Abendkonzerten für die stimmige Lichtgestaltung geteilt werden kann.

Hier wurde der erste Abend mit der außergewöhnlichen Musik und Tanzshow des Ndlovu Youth Choir eröffnet, dessen Repertoire von südafrikanischen Klassikern bis hin zu internationalen Pophits reicht. Der Musiker, Arrangeur und Leiter des Chores, Ralf Schmitt, moderierte zwischen allen Titeln in Englisch. In der aufwendigen Orchestrierung waren auch Instrumente zu hören, die nicht von dem begleitenden Trio an Keyboard, E-Bass und Schlagzeug beigesteuert wurden.

Sogenannte Backing Tracks verwendete dann beim zweiten Konzert am Donnerstagabend auch Fatoumata Diawara. So erklang ihre Stimme in harmonischer Mehrstimmigkeit. Gleichzeitig eröffnete sie den Reigen der starken Frauen Afrikas. Am Freitagabend folgten getreu diesem Motto neben dem spanisch-kubanisch-südamerikanischen Damensextett Las Karamba mit Mairana Ramos eine der ganz großen Sängerinnen der Kapverden. Am Samstagabend begeisterte eine der Protagonistinnen afrikanischer Frauenpower das Publikum auf der Hauptbühne – Fafa Ruffino aus Benin. Ob eher traditionell rhythmisch im Soul und Gospel verankert oder im nigerianischen Afrobeat, ihre Songs überzeugten von der ersten Note. Gegen Ende des Konzertes sang das Publikum ein Liebeslied mit, weil Ruffino kurzerhand den Text ins Deutsche übersetzt hatte.

Den Africa Festival Award teilt sie sich in diesem Jahr mit Moh! Kouyaté. Zusammen produzierten sie im Auftrag des Festivals einen Song, der sich gegen die Genitalverstümmelung von Mädchen und Frauen in Afrika ausspricht. Weitere Botschafterinnen und Botschafter im Kampf gegen diese schwere Form geschlechtsbasierter Gewalt in Afrika sind Sona Jobarteh, Fatoumata Diawara und Ibrahima Ndiaye. Da außer der Einrichtung von Jobarteh in Gambia noch keine Partner in afrikanischen Ländern gefunden wurden, sieht sich die Initiative bei der Umsetzung ihrer Ziele vor große Herausforderungen gestellt. Ein wiederkehrendes Problem spricht Adé Bantu an, der mit seiner Band am Samstagabend nach Ruffino spielte, im Gespräch: „Projekte, die in Afrika helfen sollen, werden häufig von Europa aus geplant, ohne eine direkte Anbindung an Stellen vor Ort. Und natürlich leben viele der afrikanischen Künstlerinnen und Künstler mittlerweile in der Diaspora in Frankreich, England oder Deutschland.“ Er selbst bildet da keine Ausnahme, indem er Köln als seine aktuelle Heimat nennt, jedoch im gleichen Atemzug verrät, dass er seinen Lebensmittelpunkt soeben in die 20-Millionen-Metropole Lagos verlegt habe.

Die Preisträger des Africa Festival Awards 2024: Moh! Kouyaté & Fafa Ruffino, in der Mitte die Preisträgerin des Jahres 2013, Fatoumata Diawara

Den Abschluss am Sonntag bildete Tiken Jah Fakoly, der als eine der wichtigsten Stimmen des afrikanischen Kontinents gilt. Auch in seiner an diesem Abend vorgestellten neuen Produktion Acoustic nimmt er kein Blatt vor den Mund und benennt präzise die Probleme, die der Neokolonialismus mit sich bringt. Das Thema „deutsche Kolonialvergangenheit“ wurde im Rahmenprogramm des Festivals mit Staatsministerin Claudia Roth in einem Universitätszelt diskutiert. Leider viel zu kurz und nur aus „weißer“ Sicht.

Insgesamt bleibt festzustellen, dass viele Künstlerinnen und Künstler an vorangegangene Auftritte in Würzburg anknüpfen konnten. Nicht mal eine Hand voll stehen hier zum ersten Mal auf der Festivalbühne. Man kann also gespannt sein, wen die Veranstalter zur 36. Ausgabe vom 29. Mai bis 1. Juni 2025 nach Würzburg einladen werden.

www.africafestival.org

Aufmacher:
Ndlovu Youth Choir

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