Zwanzig Jahre Festival Arabesques in Montpellier

Hommage an Rachid Taha / Amphi d’O, Montpellier, Frankreich, 13.9.2025

17. Oktober 2025

Lesezeit: 5 Minute(n)

Zum zwanzigsten Mal fand vom 9. bis 21. September 2025 das Festival Arabesques statt, das Kultur, Musik und Kunst aus dem arabischen Kulturraum präsentiert und das größte dieser Art in Europa ist. Das Konzert des Couscous Clan & Guests war eine Hommage an den vor sieben Jahren verstorbenen Rachid Taha. Der „universelle Rocker“, der in Algerien zur Welt kam, in Lyon aufwuchs und in Paris am 12. September 2018 starb, vermischte Electro mit Chaâbi und Raï und verhalf traditionellen Songs zu neuem Leben. Den Chaâbi-Song über das Exil, „Ya Rayah“ von Dahmane El Harrachi, veröffentlichte er 1997 auf dem Album Carte Blanche. Mit der Band Carte de séjour hatte Taha das Chanson „Douce France“ von Charles Trenet zum Schlager der Einwandererkinder gemacht. Nun erwiesen ihm Rodolphe Burger und Justin Adams an den Gitarren, Sofiane Saidi und von Bab L’ Bluz Yousra Mansour am Gesang, Idris Badarou am Bass, Kenzi Bourras am Synthesizer, Hakim Hamadouche an der algerischen Mandole und Franck Mantegari am Schlagzeug die Ehre und interpretierten seine Songs bei ihrem Konzert am 13. September, einem der Höhepunkte des Festivals.

Text: Martina Zimmermann; Fotos: Luc Jennepin

Die allerersten Klänge überraschen: „Walk On The Wild Side“, der Lou-Reed-Song wird von Hakim Hamadouche mit der Mandole und Rodolphe Burger mit der Gitarre angespielt. Dann singt Sofiane Saidi auf Arabisch, später auf Englisch. Das Publikum macht sofort mit, singt die Chöre („… and the couloured girls go“): „Doo, do-doo, do-doo, do-do-doo …“ Von Anfang an ist also klargestellt: Rachid Taha war ein Rocker. „Nichts ärgerte ihn mehr, als in den Plattenläden unter ‚World Music’ eingeordnet zu werden“, erzählt Hamadouche, der 1982 aus Algier nach Frankreich kam und Taha 1992 in einer Bar im Bastille-Viertel von Paris persönlich kennenlernte. Taha lud ihn ein, am nächsten Tag einen Song mit ihm zu spielen während eines Konzerts im Club La Chapelle des Lombards.

Rodolphe Burger

 

Dort gaben sich Kulturschaffende aus aller Welt die Klinke in die Hand. „Damals spielten wir ‚Ya Rayah‘, lange bevor der Song bekannt wurde“, fährt Hamadouche fort. Von nun an begleitete er den Sänger. „Ya Rayah“ wurde 1997 zum Welthit, hielt sich sechzehn Wochen in den französischen Charts und wird bis heute auf jeder Party und auf jedem Tanzball von Frankreich bis Senegal gespielt. Kamel El Harrachi, der Sohn des Komponisten von „Ya Rayah“, tritt am selben Abend in Montpellier im ebenfalls auf dem Festivalgelände der Domaine d’O gelegenen Théâtre Jean-Claude Carrière mit dem Chaâbi-Orchestre de la Casbah auf, wo er den Song auf die originale Art seines Vaters interpretiert. „Der Song ging auch dank Rachid Taha um die Welt“, sagt er

Sofiane Saidi

 

„Wir feiern unser zwanzigjähriges Bestehen“, so Festivaldirektor Habib Dechraoui zum Auftakt des Couscous-Clan-Konzertes. „Gestern vor sieben Jahren starb Rachid. An diese zu lange Abwesenheit wollen unsere Freunde, die Musikschaffenden, heute erinnern und an einen bedeutenden und engagierten Künstler.“ Rachid Taha war 2007 bei der zweiten Ausgabe der Arabeques in Montpellier aufgetreten. Der „globale Rocker“ vermischte arabische Klänge, machte algerischen Chaâbi zur Mode und sang Elvis Presley. Als Punker färbte er sich auch mal die Haare blond – „um in die Disko reinzukommen“, wie er damals schmunzelnd erklärte. Taha war einer der Ersten, die mit Electroklängen experimentierten. Kurzum: Jede Schublade war für ihn zu klein.

Yousra Mansour

 

„‚Douce France‘ war für unsere Generation eine frische Brise und Zeichen einer Revolte“, sagt Fadelha Koly, Präsidentin des Vereins UNi’SONS, der das Festival veranstaltet. „Denn wir sind auch Franzosen. Wir existieren. Wir sind da.“ Die Arabesques wollen seit zwanzig Jahren den Reichtum des arabisch-muslimischen Kulturraums zeigen. „Wir leben hier, und in der kulturellen Landschaft müssen die Menschen der Diaspora genauso präsent sein wie klassische Musik oder okzitanische Traditionen“, so Koly. Wobei die Organisation des Festivals immer schwieriger werde, weil die arabischen Acts nicht immer ein Visum bekommen.

Hakim Hamadouche

 

Der Engländer Justin Adams rockt gleich nach dem Lou-Reed-„Walk“ weiter. Der Gitarrist, der unter anderem mit Robert Plant und Tinariwen zusammenarbeitete, war ein langjähriger Freund und Bewunderer Rachid Tahas. Beim flotten Blues auf Algerisch mischt Bab-L’-Bluz-Sängerin Yousra Mansour auf einer Gitarre mit zwei Hälsen mit. Die sie dann gegen die maghrebinischen Blechtrommeln austauscht. Frische, freche Musik vom „Bled“ („Heimatdorf“ auf Algerisch), die sich ein wenig nach Robert Plant anhört.

Ruhiger beginnt Hakim Hamadouche mit der Mandole einen algerischen Song über einen verstorbenen Freund. „Gestern haben wir noch zusammen gegessen – wo bist du heute?“, übersetzt er den Text für das Publikum. Hamadouches sanfter Gesang wird zur lauten Klage. Erst als ein paar „spanische“ Elemente anklingen, klatscht das Publikum wieder fröhlich mit.

Justin Adams

 

Vom von Justin Adams produziertem Taha-Album Zoom aus dem Jahr 2013 übernehmen die Musikschaffenden den Song „Zoom Sur Oum“ (eine Anspielung auf Oum Kalthoum, die ägyptische Sängerinnenlegende). Rodolphe Burger gibt sich als poetischer Rapsänger, orientalische Synthiegeigen vermischen sich mit den Rockgitarren. Elvis Presleys „It’s Now Or Never“ singt Yousra Mansour dann sanft mit angerauter Stimme auf Arabisch, Hamadouches Mandole gibt die Melodie vor. Rachid Taha war Presley-Fan und interpretierte den Song ebenfalls auf Zoom.

Als mit „N’sel Fik“ Raïklänge ertönen, tanzen die Menschen auf den vordersten Sitzplätzen des ausverkauften Amphitheaters. Schon jetzt, nach ein paar Songs, ist klar, dass am Schluss keiner mehr stillsitzen wird. Die Stimmung brodelt.

Publikum tanzt auf der Bühne

 

Dann haut Schlagzeuger Franck Mantegari auf sein Instrument. „Es fängt wieder an, überall im süßen Frankreich …“, stimmt er an. Die Prophezeiung aus „Voilà, Voilà“ von 1993 über den Aufstieg der Faschisten und Rechtsextremen hat über dreißig Jahre später an trauriger Aktualität noch hinzugewonnen. Dennoch endet das Konzert als Megaparty, bei der das palästinensische Kufiya-Tuch auf Sofiane Saidis Schulter nicht fehlen darf. In Montpellier wird engagiert gefeiert! Beim „Danse Du Désert“ – 1999 festgehalten auf dem legendären Livealbum 1, 2, 3 Soleils mit Rachid Taha, Khaled und Faudel – schwingen fast alle Hüften und Arme zu den Synthie-Beduinenflöten. Bei „Rock El Casbah“ – der Taha-Version des The-Clash-Hits von dessen Album Tekitoi? aus dem Jahr 2004 – hüpfen alle. Es sind Hits in London, Paris, Casablanca, Dakar oder Beirut … Gänsehaut bekommen alle bei „Ya Rayah“.

Finaler Applaus

 

Das rauschende Fest des Couscous Clan ist zum Weinen schön. Rodolphe Burger singt den Song „Abdelkader“ (ebenfalls auf 1, 2, 3 Soleil zu hören) auf Elsässisch und erinnert daran, dass Rachid Taha mit seinen Eltern 1968 zuerst in einer Aufnahmeeinrichtung nahe Straßburg landete, bevor die Familie nach Lyon zog.

Mit Techno- und Gnawa-Trance endet das Fest. Es hat Rachid Taha da oben im Himmel der Musik bestimmt gefallen. An diesem Abend war er unter uns.

www.festivalarabesques.fr

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Aufmacher:
Couscous Clan & Guests

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