editorial folker #04-24

Von Lamentieren, Trost und Gebrauchtwerden

3. Dezember 2024

Lesezeit: 2 Minute(n)

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

draußen vor den Fensterscheiben macht der November seinem negativen Image mal wieder alle Ehre: grauer Nieselregen und nasse Kälte. „Usselig“ nennt der Rheinländer so ein Wetter. Eine ideale Grundstimmung für Gedanken wie diese: Sie haben es tatsächlich getan! Die deutliche Mehrheit der amerikanischen Wähler und Wählerinnen haben einen immer mehr ins Faschistische abgleitenden verurteilten Straftäter zu ihrem Präsidenten gewählt, jemanden, der an einem Putschversuch beteiligt war, einen narzisstischen Lügner, Hetzer und Demagogen. Alles nicht meine Worte, sondern Zitate aus der ganz normalen deutschen Tagespresse. Und wenn man dann noch das Ende der Ampelkoalition dazunimmt und ganz besonders die Neuwahlen früh im neuen Jahr plus die leider zu erwartenden Resultate, dann fällt es nicht gerade leicht, sich daran zu erinnern, dass dauerndes Lamentieren nichts an einer Situation ändert. Sie ignorieren aber ebenfalls nicht. Wer hat unter diesen Umständen die knackige Lösung all unserer weltweiten Probleme parat? Oder zumindest der meisten?

Ich jedenfalls nicht, so viel ist klar. Ich weiß jedoch eines, nämlich dass sich das politische Geschehen auch auf unsere Szene auswirken wird. Schließlich leben wir nicht in einer Blase, sondern sind immer dem ausgesetzt, was passiert. Manchmal frage ich mich tatsächlich, welche Relevanz die Herausgabe einer Musikzeitschrift in Zeiten wie diesen hat, wo es doch scheinbar gefühlte zehntausend wichtigere Themen gibt. Doch wir – mich eingeschlossen – sollten eines nicht vergessen: Wir haben noch unsere Musik, und die kann Trost in so manch aussichtslos erscheinender Lage spenden. Schließlich stellen wir alle ein paar Ansprüche an diese unsere Musik: Wach soll sie sein, warnen und anklagen, aber auch entspannen, sie soll Freude machen und uns ermöglichen, Kraft zu tanken. In diesem Zusammenhang ist es eine erfreuliche Nachricht, dass eine eigentlich ziemlich unpolitische Veranstaltung wie das Tollwood Winterfestival in München – musikalisch nur bedingt unsere Kragenweite – sich dieses Jahr das Motto „Wir brauchen dich!“ gegeben hat und das Ganze vom 26. November bis 23. Dezember als eine Liebeserklärung an die Demokratie gestalten will.

Doch, ich bin sicher, dass viele der Artikel in diesem Heft eine gewisse Wärme spenden können, speziell natürlich für die vielen Freunde und Freundinnen der keltischen Musik und Sprachen. Auch Berichte über die letzte Tour der Oysterband, BaBa Zula, den Nino aus Wien oder Robert Carl Blank lenken ein wenig vom Weltgeschehen ab. Oder man kann sich wunderbar in die zahlreichen Rezensionen fallen lassen und in Ruhe bei einem Glas Glühwein oder einem Adventstee überlegen, welche CDs man sich zulegen sollte (irgendwie klingt „streamen“ weniger romantisch …).

So gesehen ist die Herausgabe einer Musikzeitschrift gerade in diesen Zeiten sogar etwas Beruhigendes, ein Dienst an der Szene sozusagen. Und damit habe ich so gerade noch die Kurve in Richtung eines dezenten Happy Ends hingekriegt. Ich wünsche euch allen einen guten Rutsch. Denn nächstes Jahr werden wir alle wieder unbedingt gebraucht!

Euer Herausgeber

Mike Kamp 

Aufmacherfoto:

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