Bücher selbst über historische kriegerische Auseinandersetzungen sind zu Zeiten realer, imperialer Expansionskriege nur bedingt eine gute Idee. Hessen & Highlander 1746 ist dennoch ein empfehlenswertes Buch. Wie das?
Text: Mike Kamp
Zuallererst ist es kein ausgewachsenes Buch, sondern ein Büchlein, kleiner als A5, 160 Seiten – klein, fein und gar nicht aggressiv. Es geht um historische Begebenheiten. Tatsächlich segelten 5.100 hessische Soldaten 1746 unter dem Kommando von Prinz Friedrich von Hessen-Kassel nach Schottland, um im Auftrag der Engländer bei der Niederschlagung des von Bonnie Prince Charlie angeführten Jakobitenaufstandes zu helfen. Dabei war den Besatzern bekanntlich jedes Mittel recht, auch vor Kriegsverbrechen an Soldaten und Zivilbevölkerung schreckte man nicht zurück. Dass sich die Hessen im Gegensatz dazu so ehrenhaft benahmen, wie sich Soldaten bestenfalls benehmen können, und vor dem Pass von Killiecrankie quasi den Befehl verweigerten, ist zwar sehr löblich, aber zweitrangig gegenüber einer weiteren traurigen Parallele zur Jetztzeit: Bereits damals wurden Söldnerheere für politische Ziele eingesetzt, so wie es ein Herr Putin heute mit den Wagner-Soldaten in Syrien und der Ukraine macht.
„Tewordt verbindet die historischen Fakten mit Musik aus der Zeit und der Gegend.“
Die politischen Verhältnisse zur damaligen Zeit waren außerordentlich komplex. Wer mit wem gegen wen und warum – die Allianzen wechselten teilweise schneller als das Wetter, und da braucht es einen, der in dem Büchlein den Überblick behält. Bühne frei für Captain Quest! Der Captain ist als Erzähler ein Hansdampf in allen Gassen, von sich selbst höchst eingenommen, aber irgendwie auch sympathisch, flapsig, ironisch und vorlaut. Durch sein lockeres Mundwerk wirkt das eigentlich dreckige und tödliche Kriegshandwerk deutlich weniger abstoßend. Captain Quest ist neben vielen anderen Dingen auch Musiker! Und vor allem: Captain Quest mag als historische Figur fiktiv sein, es gibt ihn jedoch wirklich, denn er ist niemand anderes als der Piper Quest Christian Tewordt, seines Zeichens Autor von Hessen & Highlander 1746.
Jener Quest ist ein profunder Kenner der schottischen Geschichte und der traditionellen Musik des Landes. Er spielt die Highland Pipes, die Reel Pipes, die Pastoral Pipes und die Scottish Small Pipes ebenso wie Holzquerflöte und Tin Whistle. Somit sind wir beim Hauptgrund, warum das Büchlein empfehlenswert ist: Tewordt verbindet die historischen Fakten und ihre lockere Interpretation mit Musik aus der Zeit und der Gegend. Die hat er mit seiner Partnerin Johanna Wildhack (Barockvioline und -bratsche) unter dem Duonamen Rebel’s Menuet eingespielt und als CD mit fünfzehn Tracks dem Büchlein beigelegt.
Hessen & Highlander 1746 startete, als Tewordt coronabedingt gezwungen war, sich darüber Gedanken zu machen, wie ein Bühnenprogramm unter den gegebenen Umständen aussehen könnte, möglichst eines mit einem Alleinstellungsmerkmal. Aber er sieht generell in den geschichtlichen Fakten Parallelen zu heute: „Was damals in den Augen Londons ‚Frankreich‘ war, ist heute ‚die EU‘ – und beide sah und sieht London ungerne in Schottland, also dem eigenen Hinterhof präsent.“
Die ganze Geschichte ist in ihrer Darbietung ausgesprochen stimmig und hat selbst in Schottland großes Lob erfahren. Eine englischsprachige Version des Bühnenprogramms mit Aufführungen sozusagen vor Ort ist geplant, und wer weiß, vielleicht wird das Büchlein sogar übersetzt. Zu gönnen wäre es dem alten Großmaul Captain Quest, wenn er seine auf historischen Tatsachen basierenden Münchhausiaden ebenfalls in seiner (wenn auch nicht Tewordts) Muttersprache vortragen dürfte.
QUEST CHRISTIAN TEWORDT: Hessen & Highlander 1746. – Weilerswist : Verlag Ralf Liebe, 2022. – 160 S. : mit CD u. 8 S. Fotos.
ISBN 978-3-948682-28-6 – 20,00 EUR
Bezug: www.verlag-ralf-liebe.de
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