Warum sollte man sich diese Veröffentlichung mit vielen Liedern des Duos Zupfgeigenhansel zulegen, das vor fünfzig Jahren die deutsche Musikszene als „Sex Pistols des Folk“ aufmischte, wenn man die Originale haben kann? Ganz einfach: Neben den Neuinterpretationen der Zupfis-Songs durch den Marburger Musiker Matthias Almstedt, der sie mit warmer Stimme zu gekonntem Folkpicking auf der Gitarre vorträgt, und seiner musikalischen Partnerin Tina Kuhn (zweite Gitarre und Gesang), lebt diese liebevolle Produktion von den gekonnt vorgetragenen Moderationen. Mosaiksteinchen für -steinchen entsteht eine Revue kunstvoll verwobener, kurzweiliger Einblicke in die Entstehungsgeschichte der Lieder in ihrem historischen Kontext und in das Leben und Werk der Zupfis, denen es gelang, deutsche Volkslieder vom braunen Muff der Nazivergangenheit zu befreien. Dass ein Lied wie „Andre, die das Land so sehr nicht liebten“ über die Vertreibung von Menschen jüdischen Glaubens während der NS-Zeit noch heute von erschreckender Relevanz und Aktualität ist, zeigt die Tatsache, dass die Neueinspielung es im September 2024 aus dem Stand auf Platz eins der Liederbestenliste geschafft hat. Und im vierten Quartal war das zugehörige Album für den Preis der deutschen Schallplattenkritik in der Sparte „Liedermacher“ nominiert.
Ulrich Joosten
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