Sergio Bruni war in den Fünfzigern bis in die Siebziger der Inbegriff eines neapolitanischen Sängers. Mit samtweicher Stimme besang er Carmela, die in einer dunklen Gasse, aus der sogar die Sonne flieht, wartet und wartet. Wenn sie allein ist und niemand sie sieht, beginnt sie zu weinen. Der Sänger kann es kaum erwarten, bis er sie in die Arme schließen kann. Sergio Bruni komponierte die Musik zur Poesie des neapolitanischen Dichters Salvatore Palomba. Raiz bringt die von Bruni meist opulent orchestrierten Lieder von der großen Bühne auf die Bretter des schummrigen Kleintheaters. Den einstigen Schmalz ersetzt er mit Intensität. „Carmela“ etwa ist ein einziger Gefühlsausbruch. Seine Stimme treibt einem gleichzeitig Tränen vor Freude und Schmerz in die Augen. Die Musikerfreunde der Gruppe Radicanto weben mit Gitarre, portugiesischer Gitarre, Akkordeon und Percussioninstrumenten dem Sänger einen fliegenden Teppich, wäre da nur nicht die Schwermut, die ihn immer wieder zu Boden drückt. Neapolitanische Gefühlswelten durch und durch. Schade, dass die Liedtexte nur in neapolitanischer Sprache beiliegen. Auf lyricstranslate.com findet man einzelne Übersetzungen ins Italienische.
Martin Steiner
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