Wem es gelänge, die Klänge deutscher Schützenvereine im Ausland so beliebt zu machen, dass die coolsten Cats dazu ekstatisch in den angesagten Clubs der Weltmetropolen tanzen, der hätte sicher einen Platz in der Musikgeschichte verdient. Nicht möglich? Das vielleicht nicht, aber gar nicht viel anderes hat tatsächlich Robert Šoko geleistet. Das ist ein aus Bosnien stammender Taxifahrer, der in Berlin allmählich zum DJ wurde. Er stellte Anfang der Neunziger verblüfft fest, dass die Romamusik seiner im Zerfall befindlichen jugoslawischen Heimat und damit eine aus seiner bisherigen Erfahrung ziemlich unhippe Musik bei Nicht-Jugos extrem gut ankam. Natürlich war Šoko nicht der Einzige, der dem Balkan Brass zu Weltruhm verhalf, aber er war eine der zentralen Gestalten. Zusammen mit dem Berliner Journalisten Robert Rigney, der sich seit Jahrzehnten mit dem Phänomen beschäftigt, hat er nun ein Buch vorgelegt, in dem Dutzende der Protagonisten zu Wort kommen. Es ist klar gekennzeichnet, wer gerade spricht, nicht jedoch, wann und unter welchen Umständen die betreffende Person ihre Aussagen ursprünglich getätigt hat. Das will man aber vielleicht auch gar nicht wissen, denn die Lektüre fesselt einen viel zu sehr, um darüber nachzudenken. Man lernt eine Menge über Orientierungslosigkeit und Identitätsfindung – auch im Berlin unmittelbar nach dem Mauerfall. Ein ausführliches, facettenreiches und lohnendes Werk – lustige Sexszenen, Herzschmerz und Drogenexzesse inklusive.
Ines Körver
Robert Šoko, Robert Rigney:
Balkan Beats : an oral history. – o. O. : Eigenverl., 2025. – 450 S. : mit s/w-Fotos.
ISBN 978-3-00-082600-9 – 19,90 EUR
Bezug: balkanbeats-book.com





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