Musik aus Korea gehört selbst in der Weltmusikszene immer noch zu den Geheimtipps. Die Gruppe ADG7 hat das Format, das zu ändern.
Text: Willi Klopottek
Dass hierzulande aus dem hermetisch abgeschlossenen Nordkorea nichts ankommt, ist nicht verwunderlich, aber selbst Südkorea, das in großem Umfang Industrieprodukte nach Europa exportiert, spielt im Westen musikalisch kaum eine Rolle. Mit einer Ausnahme: dem K-Pop, der bei manchen jungen Leuten auch im Westen Zuspruch findet, der jedoch nach den Rezepten der globalen Musikindustrie fabriziert wird.
Die zahlreichen verschiedenen traditionellen Musikformen der Halbinsel haben dagegen ganz eigene Stile, deren Wurzeln Jahrhunderte zurückreichen. Das komplett andere Musikverständnis und seine spezifische Ästhetik machen es denen, die nicht damit vertraut sind, auch nicht immer ganz so einfach, sich damit anzufreunden. Allerdings gibt es eine große Zahl von Künstlerinnen und Künstlern, die moderne Formen entwickelt haben, die auch europäische Ohren unmittelbar begeistern können.
Eine dieser Gruppen wird in diesem Jahr am Rudolstadt-Festival auftreten: Ak Dan Gwang Chil, kurz: ADG7. Es handelt sich bei dem Namen um eine Reminiszenz an den siebzigsten Jahrestag der Befreiung Koreas von rücksichtsloser 35-jähriger japanischer Kolonialherrschaft im Gründungsjahr der Formation 2015. Die Bühnenpräsenz des Ensembles ist geprägt von zwei Merkmalen: den drei Sängerinnen in ausgefallenen Kostümen und einer Instrumentalgruppe bestehend aus drei Frauen und drei Männern. Vertreten sind die beiden Wölbbrettzither-Arten Gayageum und Ajaeng, die Flöten Daegeum und Piri sowie die Mundorgel Saenghwang. Der starke Beat kommt von der koreanischen Sanduhrtrommel und einem Schlagzeug. Letzteres und einige Effektgeräte dienen dazu, der traditionellen Musik ein zeitgemäßes Gepräge zu geben.
ADG7 beziehen sich stark auf musikalische Formen, wie sie im Gebiet der historischen nordkoreanischen Provinz Hwanghae-do zu finden sind, in der die perkussiven, basslastigen Klänge der Ajaeng-Zither eine wichtige Rolle spielen. Es ist vor allem die Musik der schamanischen Gut-Zeremonien, von der sich die Gruppe inspirieren lässt. Ziel der schamanischen Klänge ist es, für Frieden und ein glückliches Leben zu werben, und auch, die Zuhörer zu begeistern. Auf ihrem ersten Album verarbeitete die Formation 2017 die originalen Wurzeln dieses Stils, der wie viele andere koreanische Formen noch lebendig ist, und schrieb dann für die zweite Produktion 2020 selbst Stücke, die auf der Gut-Musik basieren, aber zeitgemäß aufbereitet wurden.
Ganz erfreulich ist die weibliche Präsenz bei ADG7, wo nicht nur die Sängerinnen die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, sondern auch Instrumentalistinnen aktiv sind. Überhaupt ist festzustellen, dass zumindest im Fall koreanischer Ensembles, die in Europa auftreten, oft Musikerinnen als Solistinnen glänzen. Ganz auffällig sind die ungewöhnlichen Kostüme der drei Frontfrauen. Die Band hat sie auf Basis traditioneller Kleidung, wie sie bei Gut-Zeremonien getragen wird, eigens von Designern entwickeln lassen. Dabei wurde Wert darauf gelegt, Geschlechterrollenklischees zu überwinden. So sind Hüte, wie sie hier von den Sängerinnen getragen werden, traditionell eigentlich Männern vorbehalten gewesen.
Live überzeugen ADG7 sowohl optisch als auch mit ihrer ganz fesselnden, druckvollen, virtuosen Musik und einem Rhythmus, der direkt in die Beine geht. Wem sich die Chance bietet, sie auf der Bühne zu erleben, sollte diese nicht verpassen.
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