Ein Tagebuch ist ein Ort, an dem Geschichten erzählt werden. Auf seinem neuen Album The Levent Diary erzählt der türkischstämmige Gitarrist und Komponist Mehmet Ergin zwölf Geschichten aus seiner frühen Kindheit. Die ersten sechs Jahre, bevor er nach Deutschland kam, wuchs er in Levent auf, einem Stadtteil von Istanbul, wo heute Hochhäuser und Geschäftstürme stehen. In seinem tönenden Tagebuch erinnert Ergin sich an schweigsame Prinzessinnen, an Stunden unter einem Maulbeerbaum, an magische Palmengärten oder Fahrten über das Marmarameer, das Binnenmeer direkt am Bosporus. Nur mit Gitarre, Kontrabass und leiser Percussion beschwört der heute 66-jährige Musiker, Komponist und Produzent Bilder, Düfte und Geräusche, die ihn geprägt und berührt haben. Es scheint eine heile Welt gewesen zu sein, die viel Raum zum Träumen und für fantastische Reisen lässt. Ergins Melodien und Improvisationen bewegen sich fließend von Ost nach West, und seine Jazzskalen bekommen mit der entsprechenden Rhythmisierung schnell einen Geschmack von Apfeltee und Fladenbrot. The Levent Diary verführt dazu, sich wieder an den eigenen geheimnisvollen Kindheitsort zu begeben, und sei es nur für die Dauer dieses Albums.
Petra Rieß
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