The Young’uns

A-cappella-Geschichten unbesungener Helden, Kulturhaus, Lüdenscheid, 28.10.2023

14. Dezember 2023

Lesezeit: 3 Minute(n)

Deutschland kannten sie bisher nur von einigen Shantyfestivals. Der Auftritt in Lüdenscheid war für die Young’uns aus Nordengland der erste in der Bundesrepublik mit eigenem Programm. Und wohl nur bei der Folkpack-Konzertreihe hätte eine solche Premiere gleich vor mehreren Hundert Leuten stattfinden können.
Text und Fotos: Almut Kückelhaus

Die deutschlandweit bekannte Veranstaltungsreihe wurde auch diesmal ihrem guten Ruf gerecht. Dabei machen es sich Sean Cooney, David Eagle und Michael Hughes nicht einfach, wenn sie einen ganzen Abend fast ohne Begleitung nur mit ihren Stimmen bestreiten.

Ihr Handwerk als Sänger und Entertainer haben sie in ihrem heimatlichen Folkclub erlernt, wo sie erstmals traditionelle Musik des eigenen Landes hörten. Die Erfahrung, dass man in der eigenen Sprache und über die eigene Region singen könne, war vor zwanzig Jahren der Wendepunkt für sie. Auch auf der großen Bühne geben sich die Young’uns optisch unauffällig als Jungs von nebenan, Stargehabe ist ihnen völlig fremd.

Sean Cooney

Sean Cooney bekannte im Gespräch, er habe am Anfang gar nicht vorgehabt, eigene Lieder zu schreiben. Er legte sich zunächst ein großes Repertoire traditionellen Songs zu, was man in seinen eigenen Stücken deutlich hört. Dann entdeckte er sein späteres Vorbild Graeme Miles, der eine große Zahl an Songs über die Region an Tyne und Tees verfasst hatte.

Cooneys Methode ist, aktuelle Geschehnisse in Liedform zu bringen und eine Art moderne Balladen zu schaffen. Über Persönliches in der Ich-Form zu schreiben, ist seine Sache nicht. Er drückt in Geschichten aus, was ihm am Herzen liegt. Dabei widmet er sich unbesungenen Helden wie dem Arzt David Nott, der in Aleppo einem IS-Kämpfer trotz Bedrohung durch Bewaffnete mit einer OP das Leben rettete, oder Richard Moore aus Derry, der mit zehn Jahren durch ein Geschoss sein Augenlicht verlor und viel später dem Soldaten persönlich seine Vergebung aussprach, der es abgefeuert hatte.

Michael Hughes

Aus solchem Stoff ist Tiny Notes, das aktuelle Album des Trios gemacht, das wegen der textlichen und musikalischen Qualität den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhielt (eine Besprechung auf folker.world findet sich hier). Der Abend in Lüdenscheid hätte also traurig-ergreifend ausfallen können, aber die drei hatten ein sehr gemischtes Programm vorbereitet und die spontanen Einwürfe von Comedytalent und Bodypercussionist David Eagle ließen keinen Trübsinn aufkommen. Vielleicht wollte man das Publikum aufgrund der Sprachbarriere auch nicht überfordern.

Der folkclubtypische kraftvolle Gesang passt bestens zu Shantys, von denen mehrere zu hören waren. Die Selbstbeschreibung „3 brass lunged big hearted folk singers“ auf Facebook vermittelt den passenden Eindruck. Für manche Stücke wechselten die drei von den Einzelmikros zu einem Halbkreis um das Retromikro, was die intime Stimmung verstärkte. Zwei Familienbands aus dem englischen Norden nennen The Young’uns als Einflüsse für ihren A-cappella-Gesang: die Watersons und die Wilsons. Von seinen guten Fertigkeiten an der Gitarre machte Michael Hughes nur sehr sparsamen Gebrauch.

David Eagle

Im Gegensatz zu den kernigen, auch humorvollen Stücken wirkten die die zarten, innigen Lieder der Trauer wie „Be The Man“ mit Begleitung am Konzertflügel besonders intensiv. Das Lied zum Suizid eines Homosexuellen, der die Ausgrenzung durch seine Familie nicht ertrug, ist eins ihrer stärksten und wird deutlich in Erinnerung bleiben. Gedruckte Anmerkungen zu den Songs auf Deutsch waren dankenswerterweise vorher verteilt worden.

Am Schluss gab es einen Einblick, wie wohl Kinderworkshops von Mitgliedern der Young’uns in Schulen aussehen: Ein Bauer geht zum Markt und kauft ein Tier, das mit entsprechenden Bewegungen und Geräuschen zum Leben erweckt wird …

The Young‘uns

Als letzte Zugabe gab es Billy Braggs legendäres „Between The Wars“ zu hören, wiederum großartig gesungen. „Wunderbar!“, schnappte ich beim Rausgehen auf, die Schlange am Signiertisch war lang. Bleibt zu hoffen, dass dies nicht der letzte Besuch des Trios im Sauerland war.

Stoff für das nächste Album wird bereits gesammelt. Auf ihren letzten Konzerten in England hatten die Young‘uns einen Koffer aufgestellt, in den Notizzettel („tiny notes“) mit Themenvorschlägen eingeworfen werden konnten. 250 wurden schon ausgefüllt …

 

www.theyounguns.co.uk

www.facebook.com/theyoungunstrio

www.folkpack.de

www.kulturhaus-luedenscheid.com

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