Alles begann beim Festival Les Nuits de Fourvière auf einem Hügel mit Blick über Lyon. Dort trafen sich die vier Musiker im Juni 2019. Um des reinen Vergnügens willen begannen sie zu jammen, und schon sehr bald wurde klar, dass dieser spontane Austausch nach Fortsetzung verlangte, wie er nun am Abend des 18. Novembers 2023 in der Kölner Philharmonie erfolgte.
Text: Christoph Schumacher
Jazzfans werden die Kollaboration zwischen Ballaké Sissoko und Vincent Ségal sowie zwischen Émile Parisien und Vincent Peirani bereits kennen, aber dieses nunmehr achthändige Projekt ist eine wirkliche Offenbarung. Im Programmheft des Abends war viel von den verschiedenen Genres zu erfahren, die die drei Franzosen an Akkordeon, Sopransaxofon und Cello und der Koraspieler aus Mali durchwandern würden, ohne sich dabei zu verirren – um an Les Égarés, den Titel ihres gemeinsamen Albums anzuknüpfen, welcher sich wörtlich mit „Die Verirrten“ übersetzen lässt. Und um es vorwegzunehmen: Man hatte zu keinem Zeitpunkt des Konzertes auch nur die geringsten Bedenken, dass sich hier irgendeiner der Musiker verirrt. Jeder der virtuos und erfahrungsreich aufspielenden Musiker kennt seine musikalischen Pfade und weiß, wo er herkommt und wo er hinmöchte, um im Bild zu bleiben.
Es war kurz nach 20 Uhr, als die vier markanten Künstler – Vincent Peirani barfuß, Ballaké Sissoko in einem traditionellen Gewand, Émile Parisien in weißen Turnschuhen und Vincent Ségal wie seine französischen Kollegen im Jackett – die Bühne betraten. Schon im ersten Stück, „Ta Nyé“, war die Freude der Musiker am gemeinsamen Spiel zu erkennen. Die Virtuosität des fließenden Klangs drückte sich vor allem in der Kunst des Zusammenspiels aus und führte zur Entstehung eines einzigartigen vierstimmigen Gesangs der Instrumente. Die Aufmerksamkeit des Publikums war groß, und fast andächtig lauschte man dem Verklingen eines jeden Schlusstones, bevor reichlich Beifall das ehrwürdige Konzerthaus füllte.
Die folgenden Stücke „Nomad’s Sky“ und „Orient Express“ – ja, der von Joe Zawinul – boten dann, wie auch alle anderen, viele Möglichkeiten für kleine solistische Einlagen. Sissokos solistische Ausflüge auf der 21-saitigen Kora blieben bescheiden, aber immer über jeden Rhythmus erhaben, wogegen Peirani in seinen freien Akkordeonstreifzügen mutiger unterwegs war. Die Rolle des Bassisten füllte Ségal mit ebenso viel Rhythmusgefühl wie seine Flageolettöne Harmonie ausstrahlten. Und Parisien? Ihn hielt es mit seinem Saxofon beim Introsolo von „Banja“ nicht mehr auf dem Stuhl. Er schien sich in den absurdesten Verrenkungen die Töne förmlich aus dem Körper zu wringen.
Als nach knapp neunzig Minuten das letzte Stück von Vincent Ségal mit den Worten „Es ist jetzt fertig!“ angekündigt wurde, war die Zeit wie im Flug vergangen und der Eindruck entstanden, bei einem Treffen von vier außergewöhnlichen Musikern dabei gewesen zu sein, die sich im gemeinsamen Spiel in ungewohnt feiner und zurückhaltender Weise zuhörten, um gleichermaßen alles zu Gehör zu bringen, was ihnen heute wichtig war. Eine intuitive Gemeinschaftsleistung auf höchstem Niveau.
Auf die nächsten Konzerte mit neuen Verirrungen oder klaren musikalischen Pfaden freuen sich die Fans dieser Jazz-World-Verbindung auf jeden Fall.
www.sissokosegalparisienpeirani.bandcamp.com
Foto: © Claude Gassian
0 Kommentare