Kuckuck und Esel im Theater

Vierzehntes Songposium beim Rudolstadt-Festival 2025 / Landestheater, Rudolstadt, 4.7.2025

28. August 2025

Lesezeit: 3 Minute(n)

Seit vielen Jahren gehört das Songposium zum festen Bestandteil des Rudolstadt-Festivals. So auch 2025. Bereits vor Beginn unterhielten vor dem Eingang zum Theater im Stadthaus die Melodealer als „Warteschlangenunterhaltungskapelle“ das Publikum mit sinnigen Persiflagen wie „Immer wieder schmeckt das Gras“, frei nach Gerhard Gundermann.

Text: Reinhard „Pfeffi“ Ständer; Fotos: Michael A. Schmiedel

Dieter Beckert, Ex-Duo-Sonnenschirm und gewohnt witziger Gastgeber, erinnerte zunächst an frühere Songposien wie etwa zu den Themen „Arbeiterlied“, „Hippielieder“, „Antikriegssongs“ oder im vorigen Jahr „Fußballgesänge“, um damit auf den diesjährigen Fokus „Kinderlieder“ überzuleiten: „Es geht um pädagogisch Wertvolles!“ Zugute kam dem dabei, dass der Erfinder des Kindergartens (1840), Friedrich Fröbel, in der Rudolstädter Region wirkte, weshalb man als Gast Isabel Schamberger, die Leiterin des Fröbel-Museums in Bad Blankenburg, als Expertin für die Geschichte der Pädagogik gewinnen konnte. Wie in den letzten Jahren waren auch der Rudolstädter Schauspielkapellmeister, Thomas Voigt, die erwähnten Melodealer aus Rostock sowie später auch die Leipziger Gruppe Wimmerschinken dabei.

Die Melodealer mit Thomas Voigt (r.)

 

Es gab bekannte und weniger bekannte Lieder zu hören wie „Spannenlanger Hansel, nudeldicke Dirn“ oder das den älteren Ostdeutschen vertraute sowjetische „U Swegda Budet Solnze“ („Immer lebe die Sonne“). Meist zum Mitsingen als Quodlibet oder Kanon und mit eingeblendeten Texten erklangen: „Heut im Wald ist grüner Ball“, „Häschen in der Grube“ und „Jetzt fahrn wir übern See“ – augenzwinkernd als Aufpass- und Bestrafungslied.

Friedrich Fröbel auf der Leinwand

 

Anschließend erläuterte Beckert einige problematische Kinderlieder wie etwa das von der Affenbande, „Wer hat die Kokosnuss geklaut“, das angeblich rassistisch verstanden werden kann. Ebenso sollen „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“, „Hoppe, hoppe, Reiter“ und „Fuchs du hast die Gans gestohlen“ problematisch sein – Beckert warf dazu Schlagzeilen der Bildzeitung an die Leinwand und führte den Musikethnologen Nepomuk Riva an, der sich zu dieser Thematik hervortut. Unproblematisch hingegen das „Rätsellied“ von James Krüss und „Finster, finster, nur der Glühwurm glüht im Ginster“.

Dieter Beckert

 

Ausführlich beschäftigte sich Dieter Beckert mit Hoffmann von Fallersleben, dem Universaldichter, dessen Tod sich im vergangenen Jahr zum 150. Mal jährte (siehe auch Artikel in folker #3.24) der neben der deutschen Nationalhymne über vierhundert Kinderlieder schrieb und als „Spottdrossel und Lästermaul“ seiner Zeit galt.

Dieter Beckert (l.), Wimmerschinken (m. l.), Melodealer (m. r.), Thomas Voigt (r.)

 

Nun ging es zum Tanz über – Wimmerschinken und die Melodealer spielten Altbekanntes wie „Brüderchen, komm tanz mit mir“ und „Ein Männlein steht im Walde“, dazu hüpften voller Freude die Kinder des Tanzensembles Rudolstadt passend in Hasen- und Froschkostümen über die Bühne.

Finale (2. v. l. Isabel Schamberger)

 

Im Schlussteil des Songposiums stand „Der Kuckuck und der Esel“ im Mittelpunkt, 1835 getextet von eben jenem Hoffmann von Fallersleben. Die Melodie stammt von Carl Friedrich Zelters Vertonung von Goethes „Es ist ein Schuss gefallen“ (von Fallersleben verwendete die Melodie auch noch einmal neun Jahre später bei „Es ging ein Handwerksbursche“). Der Gesang des Kuckucks wird dabei in Verbindung gebracht mit dem „Iah“ des Esels als Symbol für Streit. Dazu schreibt Beckert: „Es geht um die existenzielle Frage, wer wohl am besten sänge. Und so ergibt sich ein Streitduett, in dem sich die Sänger so gar nicht einigen können. Aber genau diese Tatsache findet der Dichter schön und lieblich. Offener Diskurs. Unterschiedliche Meinungen. Man könnte es auch als eine Art Loblied auf die Demokratie verstehen.“ Passend dazu wurde ein Bild mit dem berühmten grünen Marmor aus dem UNO-Saal eingeblendet. Ambiguität gleich Aushalten statt Ausmerzen. Oder: Streitlied ohne Streitaxt und Triumphbogen. Mit dem Anstimmen des Liedes gemeinsam mit dem Publikum, begleitet von allen Musizierenden, endete das Mitsinge-Songposium. Man darf schon jetzt auf das Thema im nächsten Jahr gespannt sein.

www.rudolstadt-festival.de

www.froebel-museum.de

www.von-fallersleben.de

Dieter Beckert

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