Kunstvolle Heimatklänge
Zurück zu den kulturellen Wurzeln in ihrem Südtiroler Heimatdorf La Val kehrt die ladinisch singende Gruppe Ganes auf Vives! Die Musik ist zumeist fröhlich und voller eingängiger Melodien, akustische Saiteninstrumente dominieren neben berauschendem Satzgesang, elektronische Sounds spielen kaum mehr eine Rolle. Ihre zunehmende Popularität nutzen Ganes diesmal, um über ihre bei uns wenig bekannte Kultur und Sprache auf kunstvolle Weise zu informieren. Dazu erscheint Vives! als dickes Booklet mit Texten auf Ladinisch und Deutsch sowie vielen Fotos und kulturellen Informationen. Letztere sollte man unbedingt zuerst lesen, um die Texte besser nachvollziehen zu können. Die Musik hat in den Tempotiteln eine Leichtfüßigkeit, wie man sie mitunter vom Gypsy Jazz her kennt. Bei Stücken wie „A Mitans“ wird der ungeheure Unterschied zum volkstümlichen Schlager klar. Bei Ganes geht es um beseelte Melodien (auch mit Ohrwurmcharakter), nicht um den Mitklatschbeat. Und natürlich um das Niveau der Texte. In „La Sonsela“ werden beispielsweise metaphernreich Veränderungen in den traditionellen Lebensgewohnheiten angedeutet. In dem musikalischen Zwiegespräch geht es um den Umgang mit Hochzeitsbräuchen und darum, dass ein kleiner Flirt nicht immer sofort zu einer Heirat führen muss. Als Gastsänger taucht hier der ladinische Liedermacher Jeanruaz auf, der eine Tendenz zur Bossa-Nova-Rhythmik hat. Ein guter Hinweis, dass es noch wesentlich mehr ladinische Musikschaffende gibt, die neue Wege gehen. Neben beschwingten Walzern und sphärischen Jodlern kann es auch mal düster werden wie in „La Stria“, einem Lied über Hexen, geheimnisvoll mit geflüstertem Gesang, lang ausklingenden Klavierakkorden und wimmernden Gitarrenklängen. Ganes beziehen sich hier auf die ladinischen Sagen, in denen übrigens meist Frauen die Hauptrolle spielen. Insgesamt ein anspruchsvolles Heimatklänge-Werk mit viel Gefühl. Das Album gibt es ausschließlich in der Version mit Buch, CD und Download.
Hans-Jürgen Lenhart
Ein ausführliches Interview des Rezensenten mit Marlene Schuen von Ganes sowie weitere Infos zum besonderen Einfluss der ladinischen Kultur auf die Musik der Band kann in einem zweiteiligen Onlinebeitrag hier nachgehört werden:
www.mixcloud.com/lost-in-latin-music/musical-explorer-9-ganes-1-teil
www.mixcloud.com/lost-in-latin-music/musical-explorer-10-ganes-2teil
Foto: Christoph Jorda






0 Kommentare