Der irische Geiger, Klavierspieler und Komponist Charlie Lennon ist im Alter von 85 Jahren gestorben. Lennon stammte aus Kiltyclogher im County Leitrim, einer Gegend mit reicher musikalischer Tradition. Mit sieben bekam er die ersten Klavierstunden und legte bereits mit dreizehn eine Prüfung an der Royal Irish Academy of Music ab. Danach aber fing er an, sich für die traditionelle Musik der Nachbarschaft zu interessieren, hörte vor allem alte 78er-Aufnahmen der legendären Fiddler Michael Coleman, James Morrison und Paddy Killoran und wollte nun auch dieses Instrument erlernen.
Mit siebzehn schloss er sich einer Céilí-Band an. Es waren die Jahre, in denen die irische Musik auszusterben drohte, durch solche Bands aber am Leben erhalten wurde. In dieser Zeit entwickelte Charlie Lennon seinen typischen Klavierstil und suchte Wege, um das Piano mit der irischen Tradition zusammenbringen. In seinem Buch Irish Tunes for Fiddle – Musical Memories Volume 2 von 2012 beschreibt er, welch mühsamer, aber letztlich erfolgreicher Weg das war.
Ganz nebenbei studierte er in Liverpool Physik und schrieb eine Doktorarbeit über Atomphysik. 1966 heiratete er die Sängerin Síle Tim Ní Fhlaithearta aus An Spidéal (Spiddal) in Connemara – die beiden ließen sich in Dublin nieder. In späteren Jahren wandte er sich dem Komponieren zu, und seine Orchestersuiten wurden vom RTÉ Concert Orchestra aufgeführt. Er arbeitete mit den Großen seiner Zunft, veröffentlichte Soloalben und trat besonders gern zusammen mit Síle und den gemeinsamen Kindern auf. 1999 eröffnete er zusammen mit Tochter Éilis in An Spidéal ein Aufnahmestudio, das seit 2021 den Namen Stiúideo Cuan trägt.
Der irische Staatspräsident, Michael D. Higgins, veröffentlichte einen Nachruf auf diesen vielseitigen und einflussreichen Künstler, in dem es heißt: „Durch seinen Tod hat die irische Musik einen ihrer begabtesten und freigebigsten Künstler verloren. Charlie Lennon war ein herausragender Musiker und Komponist, der einen wahren Schatz an Werken hinterlässt. […] Kompositionen wie ‚The Twelve Pins‘, ‚The Smiling Bride‘, und ‚The Road to Cashel‘ und viele andere werden in den kommenden Jahrzehnten immer wieder gespielt werden und damit weiterleben.“
Gabriele Haefs
Foto: Paul D’Eath, Stiúideo Cuan
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