Auch wenn er seit Jahren mit seinem Tod kokettierte, schien seine musikalische Kreativität kein Ende zu kennen. „Ich muss das Beste aus jeder Minute machen“, erzählte der Ausnahmemusiker schon 2018 dem Rolling Stone. Mit 81 Jahren war David Crosby produktiver denn je. Seit 2014 veröffentliche der Mann mit dem Walrossbart nicht nur fünf Soloalben, die zum Besten zählen, was er in seinem Leben geschrieben hat. Erst Anfang Dezember brachte er auch sein erstes Livealbum von der gemeinsamen Tour mit der Lighthouse Band heraus. Zudem arbeitete er an seinem nächsten Solowerk und plante eine weitere Tour. Auch wenn seine Ehefrau von einer langen Krankheit sprach, kam sein Tod für den Gitarristen Steve Postell und die Singer/Songwriterin Sarah Jarosz, die beide bereits für sein neues Album im Studio waren, überraschend.
Der Mitbegründer der legendären Bands The Byrds und Crosby, Stills & Nash, später auch mit Neil Young, lebte ein intensives Leben, in der Musik wie außerhalb davon. Crosby war verantwortlich für die Byrds-Hits „Mr. Tambourine Man“ sowie „Turn, Turn, Turn“ und schrieb Perlen wie „Lady Friend“, „Laughing“ oder „Long Time Gone“. Sein Markenzeichen war sein einfühlsamer Harmoniegesang. Im Privatleben war er für seine Drogenexzesse, seine Verhaftung wegen Kokain- und Waffenbesitzes, seine Samenspende für die Musikerkollegin Melissa Etheridge und sein politisches Engagement bekannt.
Vor allem in seinen jungen Jahren war Crosby ein unbequemer Zeitgenosse. So flog er bei den Byrds raus und zerstritt sich auch mit seinen späteren Bandkollegen Graham Nash, Stephen Stills und Neil Young. Erst im Alter konnten sie die Differenzen begraben und gingen in den Nullerjahren wieder gemeinsam auf Tour.
Die vielen Talente und die große Musikalität von Crosby werden fehlen. Ein kleiner Trost: Welche enorme Energie und stimmliche Frische er bis zu seinem Tod bewahrte, lassen sich jederzeit auf seinen letzten Werken genießen.
Erik Prochnow
Foto: David Crosby_Christopher Michel, Wikimedia CC BY 2.0
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