Lillebjørn, geboren als Bjørn Falk Nilsen, war der Sänger Oslos, und alle kannten ihn als Lillebjørn und nannten ihn nur mit Vornamen. Warum er zu Lillebjørn, also „kleiner Bjørn“ wurde, ist Quell munterer Legendenbildung, wie so vieles, was mit seinem gewaltigen künstlerischen Schaffen zu tun hat. Halb Norwegen hat mit seiner 1973 erschienenen Gitarrenschule dieses Instrument erlernt, immer neue Generationen singen im Kindergarten seine Version von Pete Seegers „My Rainbow Race“ – und diesem Lied verdankt er von allen Auszeichnungen, mit denen er bedacht wurde, die zweifellos schönste. Als der Massenmörder des 22. Juli in Oslo vor Gericht stand, wollte er Lillebjørn als Zeugen der Verteidigung vorladen lassen – denn mit diesem Lied habe der die norwegische Jugend vergiftet und für wahre Vaterlandsliebe unempfänglich gemacht. Lillebjørn erschien nicht vor Gericht, vor dem Gerichtsgebäude aber fanden sich an die 40.000 Menschen ein und sangen dem Mörder das diesem so verhasste Lied vor.
Lillebjørn hat Lieder geschrieben, die zu Hymnen seiner Stadt wurden, er hat übersetzt, mit Kollegen aus anderen Ländern zusammengearbeitet – nennen wir nur Pete Seeger und Andy Irvine – und war immer offen für neue Kontakte und Ideen. Das Projekt „Lillebjørn auf Deutsch“ (mit Peter Braukmann) muss leider unvollendet bleiben. Sein letzter öffentlicher Auftritt war im April 2023. Schon gezeichnet von der tückischen Lungenkrankheit COPD, nahm er den Ehrenpreis des norwegischen Spellemannprisen entgegen.
Wie er es sich gewünscht hatte, ist Lillebjørn bei sich zu Hause auf dem Sofa friedlich eingeschlafen. Bis zur Beisetzung werden die Glocken im Osloer Rathaus jeden Abend sein Lied „God Natt, Kjære Oslo“ („Gute Nacht, liebes Oslo“) spielen. Als letzten Dank der Stadt an den Sänger gibt es zum allerersten Mal eine Ehrenbeisetzung auf Kosten der Stadt.
Gabriele Haefs
Foto: Lillebjørn Nilsen beim norwegischen Musikfestival Canal Street in Arendal im Juli 2015 (© Birgit Fostervold, Wikimedia CC BY-SA 4.0 Deed)
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