Allein sein Song „It’s Good To See You“ ist über hundertmal gecovert worden und das Eröffnungslied vieler Ostermärsche. Nach 54 Jahren on the road hat Allan Taylor beschlossen, die regelmäßigen, langen, aber lieb gewordenen Tourneen aufzugeben: Gedanken und Ansichten eines Fast-Rentners.
Text: Mike Kamp; Titelfoto: Wolfgang Behnke
„1966 fing alles an. Ich hatte gerade meine Lehre in Sachen Hochfrequenz-Telekommunikation beendet, wollte aber ein professioneller Singer/Songwriter werden. Im Rahmen dieser Lehre hatte ich auch mein erstes Konzert gegeben. Wir waren damals für einige Praxismonate in Bletchley, wo im Zweiten Weltkrieg die deutsche Enigma-Maschine dekodiert wurde. Als Ausgleich für all die Technik hatten wir auch Kunstunterricht, und weil der Professor wusste, dass ich Gitarre spielte und sang, bat er mich um ein Konzert. Ich hätte damals im Traum nicht daran gedacht, dass ich vierzig Jahre später mit dem großartigen Liedermacher Helmut Debus auftreten würde. Sein Vater war in der deutschen Marine, mein Vater in der britischen. Ist es nicht wunderbar, dass die Söhne dieser beiden Feinde die besten Freunde wurden?“
Deutschland hat für viele britische Künstler einen ganz besonderen Stellenwert. Ohne die regelmäßigen Touren hierzulande ist ein finanzielles Überleben schwierig. Allan Taylor ist diesbezüglich keine Ausnahme. Konzerte in Deutschland standen immer in seinem Kalender. „Das fing in den Siebzigern an. Es gab eine Reihe von Folkclubs der britischen Armee, die von der Mary John Agency betreut wurden, und Mary John lud mich ein. Diese Gigs waren schwierig. Das Publikum bestand aus Soldaten, und die wollten unterhalten werden, lustige Lieder und so. Die waren nicht wirklich an mir interessiert. Aber in Hannover durften auch Deutsche in den Folkclub im britischen Militärhospital, und die mochten schon eher, was ich machte. Das war sozusagen mein Zugangstor zu den deutschen Clubs, wo ich dann mehr und mehr gespielt habe.“
Und so begann eine über vierzigjährige Beziehung zwischen Taylor und seinem deutschen Publikum, an die er fast ausschließlich positive Erinnerungen hat. „Man ist mir immer mit großer Freundlichkeit und Respekt begegnet, und deshalb habe ich viele deutsche Freunde. Es ist ein faszinierendes Land. Viele britische Schriftsteller und Dichter fanden Deutschland attraktiv, und mir geht es nicht anders. Ich habe hier einige meiner besten Songs geschrieben und besten Konzerte gegeben. Deutschland hat mein Leben buchstäblich bereichert.“
Viele von diesen Liedern erzählen aus der Perspektive des Beobachters und dazu passt, dass Allan Taylor sich zwar auf einige Kollaborationen eingelassen hat, aber im Prinzip immer ein Solokünstler war. „Ja, mit dieser Situation war ich glücklich, weil ich die Einsamkeit genossen habe. Ich hatte viel Zeit zu denken, zu reflektieren, was ich sah und was mir passierte. Das hat mir bei vielen Songs geholfen. Dabei musst du zwar einerseits einen emotionalen Bezug zum Thema haben, andererseits aber auch eine gewisse Distanz bei der Bearbeitung. Ein Balanceakt. Der emotionale Bezug muss ebenso maßvoll sein wie die Distanz, denn sonst wird es wie gesungener Journalismus. Heutzutage jedoch freue ich mich, mit meiner Frau reisen zu können, denn die langen Touren gehören der Vergangenheit an.“
Allan Taylor ist bekannt für seinen Perfektionismus. Er stellt an sich ebenso wie an seine Umgebung die höchsten Ansprüche. Ein solcher Künstler sollte wissen, ob es ein objektives Kriterium für einen guten Song gibt. „Das gibt es. Man muss sich nur die folgende Frage stellen: Warum sollte irgendwer an dem interessiert sein, was ich mit dem Lied sagen will? Auch wenn es von meiner Erfahrung handelt, muss eine Verbindung mit dem Hörer entstehen. Der Song muss beim Hören zu seiner eigenen Erfahrung werden. Ich denke oft daran, was Wolf Biermann mir sagte, als ich ihn im Rahmen meiner Doktorarbeit interviewt habe: ‚Eine gute Sache macht noch kein gutes Lied – es muss auch gut geschrieben sein.‘“
Allan Taylor; Foto: Promo
Unter dieser Prämisse meint der promovierte Ethnomusikologe, dass er zwar mit den meisten seiner Songs immer noch sehr zufrieden ist („Sonst hätte ich sie nicht aufgenommen.“), aber drei davon sind ihm besonders ans Herz gewachsen: „Urban Lovesong“, „Los Companeros“ und „Colour To The Moon“. Und dann gibt es noch zahllose Versionen seiner Lieder in den unterschiedlichsten Sprachen.
„Das ist für mich ein großes Kompliment, besonders, wenn der Song noch übersetzt werden muss, denn das setzt ja ein gewisses Engagement voraus. Hannes Waders Version von ‚It’s Good To See You‘ beispielsweise ist toll und hat mir in Deutschland sehr geholfen, auch wenn es Leute gab, die dachten, ich hätte einen Wader-Song ins Englische übersetzt und nicht umgekehrt. Oder als Nana Mouskouri wegen des rechtsautoritären Regimes nach Jahren des Exils in ein demokratisches Griechenland zurückkehrte, gab sie ein Konzert in Athen, bei dem die komplette neue Regierung ganz vorne saß. Das erste Lied des Abends war ‚It’s Good To See You‘, und das ist schon was Besonderes. Aber es macht mir auch Freude, wenn Amateure meine Songs singen. Denn auch sie haben hart dafür gearbeitet, und dieser Einsatz ist nicht anders als der der Profis.“
In einem erfreulich langen und produktiven Musikerleben gibt es Höhepunkte und auch einige Täler, das ist völlig normal. Entscheidungen müssen getroffen werden, deren Folgen erst viel später offensichtlich werden. Aber auch bei einer scheinbar ziemlich geradlinig verlaufenden Karriere wie der von Allan Taylor gab es Momente, wo der Weg nach links oder rechts gehen und man sich nachher hätte fragen können: Was wäre gewesen, wenn … „Das war bei mir der Fall, als ich in New York lebte. Ich war bei einer der drei größten Platten- und Filmfirmen der Welt unter Vertrag, aber ich war nicht glücklich mit dem ‚American Way‘ bezüglich Musik oder Kunst. Das Kriterium war immer das Geld. Ich entschied mich, New York zu verlassen und zurück nach England in die kleinen Clubs zu gehen. Ich wusste, dass meine Musik lediglich für eine Nische geschaffen war. Aber ich war sicher, gerade in diesem Zusammenhang ein paar gute Songs schreiben zu können. Kurz vor meiner Abreise bekam ich ein weiteres Angebot einer anderen großen Firma, das mit viel Geld verbunden war. Ich habe abgelehnt und wundere mich manchmal, was passiert wäre, wenn ich zugestimmt hätte.“
Es ist der Traum der meisten Musiker: Ein selbstbestimmter (Teil-)Rückzug an einem Punkt der Karriere, der noch nicht von künstlerischem Niedergang gekennzeichnet ist. Und bekanntlich muss man nicht unbedingt ganz gehen. „Keine langen Touren mehr, aber ein paar Einzelkonzerte und besondere Anlässe sind durchaus willkommen ebenso wie Festivals. Momentan arbeite ich auch an einem neuen Album für Stockfisch Records. Allerdings bezweifele ich, dass ich eine Autobiografie schreiben werde, denn der größte Teil meines Lebens ist schon in meinen Liedern.“
Aktuelles Album:
In The Groove 2 (LP; Stockfisch Records, 2019)
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