Das Duo Alice in WonderBand, das Balkanfolklore mit Körperpercussion macht, zog sofort die Aufmerksamkeit vieler Medienmenschen und Musikprofis auf sich. Schon bei der WOMEX bewunderten meine Kollegen ihren Auftritt am serbischen Stand und sprachen darüber, wie frisch und interessant er daherkam. Ich habe das Projekt selbst im Winter 2022 kennengelernt, als meine Familie sich in Serbien befand und noch unklar war, wie unsere weiteren Einwanderungsschritte aussehen würden. Ana Vrbaski und Marko Dinjaski haben uns herzlich in Novi Sad empfangen. Zur gleichen Zeit wurde gerade ihr erstes Album Rikataka – New Balkan Rhythm beim deutschen Label CPL-Music veröffentlicht, und ich war sicher, dass das Duo einen riesigen Erfolg haben würde.
Interview: Daryana Antipova
Wie hat eure musikalische Reise begonnen und wann? Gab und gibt es nur das Duo Alice in Wonderband oder seid ihr auch in anderen Projekten und Rollen als Musikschaffende aktiv?
Marko: Ich war in verschiedenen Bands aktiv, bevor wir unsere AWB-Reise begannen. Sie reichten von Hardcore über leichten Pop bis zu zeitgenössischer künstlerischer freier Musik wie bei den ungarischen Jazzpunkern von Tudósok. Als Ana und ich anfingen zusammenzuarbeiten, hatten wir so viele verschiedene interessante Ausflüge – als Alice in WonderBand –, dass keine Notwendigkeit oder Zeit mehr war, mit anderen aufzutreten. Vor Kurzem haben wir während eines Aufenthalts im Rozbark-Theater in Bytom mit Musikschaffenden, Tänzerinnen und Tänzern in Polen zusammengearbeitet und dabei vielseitige Künstler und Künstlerinnen kennengelernt, zum Beispiel das polnische Duo CISI, mit dem wir eine Kooperation begonnen haben. Am 22. Mai werden wir ein gemeinsames neues Musikvideo und einen neuen Song uraufführen und dann am 1. Juni ein Konzert in Krakau haben. Ich kann es kaum erwarten!
Ana: Was wir in Sachen Musik und Theater erkundet haben, war wirklich interessant, und ich möchte die Besuche erwähnen, die wir während der ersten beiden Ausgaben des Festivals New Balkan Rhythm in Sremski Karlovci hatten. Die Zusammenarbeit mit großartigen Künstlerinnen und Künstlern wie Anna Llombart aus Barcelona, Elena Hristova aus Skopje, Ben Schütz aus Hamburg und Max Pollak aus New York war eine unglaubliche Inspiration! Wir sind eine Supergroup von Body-Music-Schaffenden, die traditionelle und zeitgenössische Musik aus verschiedenen Kulturen aufführen. Einige der Videos von Auftritten sind auf unserem Youtube-Kanal zu sehen. Zum Beispiel auch unser Kurzprojekt mit Vilma Talvitie aus Finnland beziehungsweise der Türkei, bei dem wir Body Music und die Kombination von Klavier und Bodypercussion erforscht haben.
Unser letztes Gespräch war Ende 2022, als ihr gerade euer Album Rikataka – New Balkan Rhythm bei CPL-Music veröffentlicht hattet. Wie lief es mit dem Album bisher? Hat es eure Erwartungen erfüllt? Plant ihr eine neue Veröffentlichung?
Marko: Das Album hat uns viel weiter gebracht, als wir erwartet hätten. Wir sind ziemlich bescheiden, aber ehrgeizig – falls diese beiden Eigenschaften überhaupt kombiniert werden können (lacht). Wir planen, im Winter ins Studio zu gehen, einige Aufnahmen haben wir aber auch bereits gemacht. Es gibt eine Reihe von Liedern, die sich ansammeln, von unserer Zeit in Polen, die aber sicher auch beim World Music Festival Bratislava in der Slowakei dazukommen, wo wir sein werden. Und dann gibt es noch das Versprechen der Aufnahme eines Liedes in unser Repertoire des letzten Balkanlandes, von dem das noch nicht der Fall ist – Slowenien. Da wir dort häufig spielen und unterrichten, müssen wir das dringend ändern!
Ana: Wir sind in fast jedes Land gereist, aus dem ein Lied auf dem Album vertreten ist, nur in Rumänien waren wir nicht. Aber dieses Material hat uns bisher in zwölf Länder geführt, in diesem Jahr reisen wir in fünf weitere. Einfach auf unserer Website nach der Liste schauen … (lacht)
Was ist euer Lieblingslied auf Rikataka?
Marko und Ana: „Mesečinka“! (beide lachen)
Ana: Wenn man so lange zusammenlebt – mehr als ein Vierteljahrhundert –, spricht man definitiv irgendwann mit einer Stimme. Sehr nützlich auf der Bühne!
Marko: Das zweite wäre wahrscheinlich „Bratec Kosio. Im Grunde sind alle Lieblingslieder, besonders wenn man sie live vorträgt.
In den letzten beiden Jahren wart ihr ziemlich viel auf Tour, was waren für euch die Höhepunkte?
Ana: Ich muss sagen, das BALKAN:MOST-Festival war sehr besonders. Alles lief so reibungslos ab, und wir hatten ein wundervolles, engagiertes Publikum. Es war auch emotional, weil es das krönende Ereignis des MOST-Musikprojekts war, das sich gleichzeitig mit der Veröffentlichung des Albums bei CPL-Music ergeben hatte und uns international vorantrieb.
Marko: In Serbien war es ARLEMM, ein wunderschönes Sommerfestival in einer kleinen Stadt namens Arilje. Wir hatten eine Riesenschar Kinder in den vorderen Reihen, die mit uns tanzten und Bodypercussion lernten. Wir blieben nach dem Konzert sicher noch eine Dreiviertelstunde und machten Fotos mit ihnen und gaben Autogramme. Wenn die Musik, die du spielst, Kinder in deinem Land glücklich macht, musst du etwas richtig machen.
Hat das MOST-Projekt einen Einfluss auf eure Karriere gehabt?
Ana: Oh ja, wir verdanken dem MOST-Musikprojekt sehr viel. Wir haben so viel gelernt, neue Leute kennengelernt, die Möglichkeit gehabt, auf großartigen Festivals zu spielen und zu internationalen Konferenzen zu gehen. Als Body-Music-Schaffende aus Serbien sind wir immer noch anders, aber wir sind so etwas wie unbeholfene Dorfverwandte in der großen Familie der globalen Musikindustrie. (lacht)
Warum Bodypercussion?
Marko: Ich saß die meiste Zeit meiner musikalischen Karriere am Schlagzeug. Jetzt bewege ich mich endlich! Ich fühle mich wie der erste aufrecht gehende Mensch sich gefühlt haben muss, als unsere Vorfahren beschlossen, auf eigenen Füßen zu stehen! (lacht)
Ana: Wenn wir auf diese Weise auftreten, können wir mit dem Publikum kommunizieren, sie können mit uns klatschen und singen. Wir sind nicht in unserer eigenen Welt hinter den Instrumenten gefangen, sondern wir nehmen das Publikum mit uns in das Wunderland. Das ist das eigentliche Spiel hinter dem Bandnamen: Alice ist die Person im Publikum.
Ihr organisiert auch jedes Jahr Ende August das bereits erwähnte Festival New Balkan Rhythm in Sremski Karlovci. Wollen wir ein wenig darüber sprechen? Was genießt ihr dort am meisten: Musikschaffende zu sein oder die Festivalorganisation?
Ana: Du kannst dir die Antwort sicher schon denken … Wie alle Kunstschaffenden, die Erfahrung mit Organisation haben, liebe ich es einfach, kreativ zu sein! An zweiter Stelle steht der Bildungaspekt, weil es wieder eine Notwendigkeit ist. Body Music ist nicht so bekannt, zumindest auf dem Balkan, also müssen wir sie den Menschen näherbringen. Besonders Kindern, um sie von den Bildschirmen wegzubringen, aber es ist für jedes Alter gewinnbringend. Sich gemeinsam zu bewegen, Rhythmus, Atem, Musik, die Stimme zu erkunden, bringt uns einander näher und erinnert uns einmal mehr daran, was es heißt, im Kern menschlich zu sein. Der Mensch ist ein Gemeinschaftswesen – Zoon politikon –, und das hat sich mit der Digitalisierung nicht geändert, es ist sogar deutlicher zutage getreten. Deshalb ist die Organisation eines solchen Festivals, bei dem man das tun und diese Erfahrung mit anderen neugierigen Menschen teilen kann, eine Notwendigkeit. Besonders in Serbien, wo die Kultur seit dreißig Jahren vernachlässigt wird.
Marko: Das New Balkan Rhythm Festival wird vom 30. August bis 1. September 2024 zum dritten Mal in Sremski Karlovci stattfinden. Es ist inspiriert vom Body Rhythm Festival in Hamburg, und der Ablauf ist ziemlich ähnlich, obwohl es natürlich viel kleiner ist. An den drei Tagen finden tagsüber Workshops statt, mit lokalem Essen und an einem wunderschönen Veranstaltungsort, dem Ökologischen Zentrum Radulovački. Die Abende sind den Vorführungen vorbehalten: ein Konzert der Dozierenden, eine Nacht für offene Bühne. Wir besuchen die Donau, erkunden die örtlichen Weingüter, machen eine kulturelle Tour, die von unserem Partner, dem Tourismusbüro von Sremski Karlovci, organisiert wird. Diese kleine Stadt ist historisch sehr interessant.
Was sind eure Träume als musikalisches Projekt Alice in WonderBand?
Marko: Wir sind sehr neugierig, also wer weiß, wohin uns der Weg führen wird. Obwohl ich denke, dass Ana als Managerin der Band einige Pläne hat … (lacht)
Ana: Mein erster Plan, als wir mit dem MOST-Projekt anfingen, war es, einen Manager zu bekommen! (lacht) Aber die Realität sieht meistens anders aus als unsere Pläne. Ich träume davon, bei den KEXP Sessions aufzutreten, habe aber keine Ahnung, ob dieser Traum sich erfüllen wird. Aber andere Träume sind ganz einfach: kreativ zu sein, sich zu bewegen, zu erkunden und die Liebe und Bewunderung für Musik, Menschen und Kunst zu verbreiten. Diese Träume können wir selbst wahr werden lassen. Und ich denke, das werden wir auch, so wie wir es die ganzen Jahre über getan haben.
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