Aus dem Kollektiv heraus

Die Kölner Bluegrass-Szene

2. Juli 2024

Lesezeit: 5 Minute(n)

Bunt, hip und sehr aktiv kommt die Bluegrass-Szene in der rheinischen Metropole daher. Zahlreiche Bands bringen viele neue Alben heraus, treten auf und sind im Netz präsent. Ein eigenes Festivalwochenende ist in den letzten Jahren entstanden. Und bei mittlerweile drei Sessions im Monat allein in der Domstadt wird fleißig gejammt.
 Text: Sabrina Palm; Fotos: Felix Eichert

Los ging alles mit einem Bluegrass-Workshop an der Kölner Musikhochschule, den Fiddler Joon Laukamp vor etwa zehn Jahren gegeben hat, nachdem er von seinem Studium bei Geigengenie Darol Anger am Berklee College of Music in Boston, USA, an die lokale Hochschule zurückgekehrt war. Im Gespräch mit einem Dozenten, der ein Bluegrass-T-Shirt trug, kam die Idee zu dem Kursangebot. Den Workshop besuchten unter anderem Gitarrist Philipp Keck, Geiger Paul Bremen und Sängerin Julia Zech und lernten die Grundlagen der Bluegrass-Musik kennen. Seitdem bilden sie mit Joon Laukamp und dem Neuseeländer Pierce Black den Kern der Kölner Bluegrass-Szene. Aktiv sorgen die Musikerinnen und Musiker für eine Infrastruktur, in der Musik und Szene gedeihen können. Die Aufgaben sind dabei klar verteilt.

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„Ich genieße das Inklusive an der Szene.“

„Grundstein ist die Jamsession“, sagt Laukamp im folker-Interview. Gemeinsam mit Pierce Black und Felix Eichert hat er sie damals in Mannis Rästorang gestartet. Nach dessen Schließung in der Coronazeit ist der „Cologne Bluegrass Bash“, wie die Session und das Kollektiv mittlerweile offiziell genannt werden, dann ins Theater in der Filmdose umgezogen. Die kleine Bühne in der Kölner Südstadt eignet sich hervorragend für die Opening Acts, die jeden Monat einen musikalischen Impuls setzen und dem lebhaften Jammen einen Rahmen geben. Organisiert wird die Jamsession im Team reihum, und damit auch Neueinsteigende ungezwungen mitmachen können, wurden zudem zwei Slowsessions im Monat in privaten Musikschulen installiert, die ebenfalls betreut werden. „Es geht darum, dass Leute, die Lust haben mitzumachen, mitmachen können“, so Joon Laukamp. Julia Zech, Banjospielerin und Sängerin des Duos Stereo Naked, fügt hinzu: „Ich genieße das Inklusive an der Szene.“

So finden sich auf der Jambühne nicht nur Profis, sondern viele Menschen aus der Region, die einfach Spaß an der Musik haben, und das in jeder Altersgruppe. Von alten Hasen bis zu jungen Musikstudierenden ist alles dabei, jedes Mal in einer anderen Mischung. Und auch in Sachen Stilistik ist man offen. Da steht der kubanische Latin-Cellist ohne Probleme mittendrin neben dem alteingesessenen Mandolinisten und soliert.

Johnny and the Yooahoos beim Green Parrot Festival

Foto: Felix Eichert

Aus der Jamsession und ihrem Umfeld haben sich im Laufe der Jahre viele Bands entwickelt: Stereo Naked oder die Bashed Potatoes – beide haben mit ihren letzten Alben Nominierungen zum Preis der deutschen Schallplattenkritik einheimsen können –, die Stompin’ Gents, Her Majesty Calling, The Lonesome Songbirds und viele mehr. Als Exportschlager beweisen sich bisher vor allem Stereo Naked, die 2024 vom Festivalgiganten Celtic Connections nach Glasgow eingeladen wurden und regelmäßig auch in ausländischen Radiosendern laufen.

Die vielen Bands kommen seit 2019 auch beim eigenen Green Parrot Festival auf die Bühne, das Pierce Black und Julia Zech in Köln federführend organisieren. Neben den Konzerten gibt es bei der sehr familienfreundlichen Veranstaltung auch Tanz, Jamsessions und Workshops. Das Festival zeichnet sich durch eine ungezwungene Atmosphäre aus, die auch viele Musikschaffende anderer Genres anzieht. So ist es zu einem wichtigen Treffpunkt der Folkszene geworden und begeistert Bluegrass-Fans aus ganz Deutschland. In diesem Jahr wird es etwas internationaler, und so stehen vom 9. bis 11. August neben der Kölner Band Bluegrass Cash im Line-up unter anderem Liz Stringer aus Australien, die Alum Ridge Boys & Ashlee aus den USA und das Duo Peanut Gallery aus Schottland.

Wer mehr über die Bluegrass-Musik lernen möchte, kommt außer beim Festival auch bei den Angeboten der Bluegrass Bude voll auf seine Kosten. Unter ihrem Dach bieten Joon Laukamp und Philipp Keck Unterricht und Kurse zum Thema an. Neben Einzelunterricht für diverse Instrumente stehen Workshops unter anderem für Close-Harmony-Singing oder die Musik von John Reischman auf dem Programm. Dabei unterrichten die beiden Organisatoren nicht alles selbst, sondern laden sich teils internationale Gastdozierende ein. Für Laukamp ist völlig klar, warum er die pädagogische Arbeit so intensiv verfolgt. „Es ist einfach schöner, wenn mehr Leute dabei sind“, sagt der Fiddler und Mandolinenspieler, der mit den Bashed Potatoes spielt und sonst auch ein gefragter Solist auf deutschen Bühnen ist.

„Die Lebhaftigkeit der Szene führt dazu, dass wegen ihr Menschen nach Köln ziehen.“

Für ihn ist eines der Ziele für die Zukunft der Kölner Bluegrass-Szene, dass es noch mehr Bands in der Region gibt. Die Chancen dafür stehen gut, denn inspiriert durch die Kölner Aktivitäten sind auch in den benachbarten Städten Bonn und Düsseldorf aktive Sessions entstanden. „Die Lebhaftigkeit der Szene führt dazu, dass wegen ihr Menschen nach Köln ziehen“, erzählt Laukamp, „auch wenn es woanders in Deutschland ganz viele tolle Sessions gibt.“ In der Domstadt stehen die Sterne offenbar günstig für den Bluegrass. Viele haben Lust, aktiv Bluegrass zu spielen. Es gibt Locations, in denen die Musik bereitwillig auf die Bühne gebracht wird. Und dann gibt es offenbar auch ein Publikum, dass dies gerne annimmt. Kein Wunder, denn die Qualität ist hervorragend. Philipp Keck, der bei den Bashed Potatoes und den Stompin’ Gents aktiv ist, bewies dies im Sommer 2023 eindrucksvoll, als er beim traditionsreichen Rockygrass-Festival in den USA den zweiten Platz im Flatpick-Guitar-Wettbewerb gewinnen konnte.

Joon Laukamp wünscht sich weiterhin, dass regelmäßig mehr Konzerte mit internationalen Bluegrass-Acts in Köln stattfinden. Auch das scheint Realität zu werden. Der Cologne Bluegrass Bash veranstaltete am 6. Mai 2024 ein Konzert der Lonesome Ace Stringband aus den USA im Alten Pfandhaus. Und man darf erwarten, dass das nicht das letzte Konzert war, das aus dem Kollektiv heraus organisiert wurde. Die Motivation, den Bluegrass in der Domstadt weiterzuentwickeln, ist riesig.

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Aufmacher:
Pierce Black, Joon Laukamp, Julia Zech, Philipp Keck (v. l. n. r.)

Foto: Felix Eichert

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