Bandkopf und -gründer Costel Oprică Ivancea erklärt, wie seine Balkan-Brass-Combo Fanfare Ciocărlia entstanden ist und welche Rolle der kanadische Musiker Adrian Raso für ihn spielt.
Text: Wolfgang Weitzdörfer; Fotos: Arne Reinhardt
Wer verbirgt sich hinter Fanfare Ciocărlia?
Wir haben in den späten Neunzigern den Plan umzusetzen begonnen, als schnellste Brassband der Welt den Planeten zu bespielen. Nach nunmehr dreißig Jahren mit über fünftausend Konzerten auf allen sieben Kontinenten haben wir unseren Spitznamen „das zwölfbeinige Brassbiest“ sicher verdient. Tatsächlich sind wir allerdings zwölf Musiker, die allesamt im Dorf Zece Prăjini in Nordostrumänien aufgewachsen sind und schon seit der Kindheit Blasinstrumente spielen. Wir haben mit Auftritten bei Hochzeiten in der Region angefangen, bis wir Henry Ernst, unseren Manager und Produzenten, getroffen haben. Unsere Wurzeln liegen in der traditionellen rumänischen Musik, die wir gerne mit anderen Einflüssen vom Balkan und auch internationaler Pop- und Rockmusik kombinieren. Wir mixen eine kraftvolle Tubawand mit dem organisierten Chaos der anderen Instrumente. Das alles wird mit ungewöhnlichen Arrangements und einer Prise Humor garniert.
Was bedeutet euer Name?
Lose übersetzt sind wir das „Lerchenorchester“. Aber wir verwenden das Wort ciocărlia auch als Synonym für großartiges und anspruchsvolles Spiel.
Wie viel Rumänien steckt in der Musik?
Ich würde es mal so ausdrücken: Rumänien steckt in jeder Note. Auch wenn wir Coverversionen spielen oder andere Musikstile ausprobieren, haben wir unsere rumänischen Wurzeln immer mit im Gepäck.
„Wir leiden immer noch unter Lampenfieber.“
Euer neues Album heißt The Devil Rides Again. Wer ist der Teufel, und wohin reitet er?
Nun, für uns ist der Teufel zunächst einmal keine negative Figur. Er ist eher so eine Art Außenseiter, der für viele böse Dinge und Taten verantwortlich gemacht wird. Unserer Ansicht nach ist er lediglich eine tragische Figur in der Geschichte unserer Welt – und ganz bestimmt nicht das Böse dieser Welt. Wir als Roma wissen ganz genau, wie es ist, am Rand der Gesellschaft zu leben und andauernd und immer wieder Feindschaft und Anklagen ausgesetzt zu sein. Möglicherweise ist auch das der Grund für unsere „Sympathy for the Devil“. Wie auch immer – unser Teufel ist lustig, lacht viel und erzählt jede Menge aufregende Geschichten. Und er reitet wieder! Seine Satteltaschen sind mit neuen Songs und Klängen vollgepackt, er will weit und lange ausreiten, durch die Welt galoppieren und trotz seines negativen Images Freude unter den Menschen verbreiten. Genau das steckt hinter dem Albumtitel.
Der Songtitel „Bugatti Be Kiddin’ Me“ ist nicht nur ein brillantes Wortspiel – mögt ihr auch die Autos?
Klar, jeder mag doch ein bisschen „Bling-bling“ … Und da gehört ein Bugatti natürlich dazu. Leider müssen wir aber wohl noch einmal fünftausend Shows spielen, bis wir einen davon in unserer Auffahrt werden abstellen können.
Nach welchen Kriterien sucht ihr eure Coversongs aus? „Jolene“ ist ein tolles Beispiel auf dem neuen Album!
Wenn uns unser Cover-„Opfer“ direkt anspringt, dann geht das nur nach Gefühl! Das Schöne am Covern ist, dass man dabei das Original noch ein bisschen perfekter machen kann.
Ihr habt auf dem neuen Album zum zweiten Mal mit Adrian Raso zusammengearbeitet – wie kam es dazu?
Adrian Raso ist Gitarrist aus Kanada – und großer Fanfare-Ciocărlia-Fan, das neue Album ist eine Fortsetzung unserer Zusammenarbeit. Er hat uns 2012 zu sich in sein Studio in Toronto eingeladen, um dort ein Album zusammen aufzunehmen. Seine Kompositionen haben uns richtig gut gefallen, vor allem die Kombination von Gitarre und Banjo war eine echte Herausforderung, noch dazu, wenn man den Druck der Blasinstrumente dazunimmt. Die Aufnahmen im legendären Metalworks-Studio waren eine fantastische Erfahrung für uns. Am Ende wurde dann das Album Devil’s Tale ein echter Erfolg. In dieser Hinsicht war es schon toll, dass wir dreizehn Jahre später daran anknüpfen konnten. Was The Devil Rides Again besonders macht, war unsere Entscheidung, den musikalischen Druck direkt herauszunehmen und uns auf die eher relaxten Sounds zu konzentrieren. Wenn du dein Lebtag wie ein echter Heavy-Metal-Musiker unterwegs warst, dann ist es nicht gerade einfach, eine so relaxte Atmosphäre im Gesamtsound zu produzieren … Aber ich glaube, dass es uns gelungen ist, und wir sind froh, dass diese ungewöhnliche Kombination von unseren alten und auch neuen Fans akzeptiert wird. Es ist doch immer toll, neue Wege zu erkunden – und umso schöner, wenn das auch erfolgreich ist. Dass wir selbstbewusst neue Wege gehen können, inspiriert und motiviert uns enorm.
Gibt es schon Pläne für weitere Zusammenarbeiten mit Adrian Raso?
Ja, tatsächlich. Es soll 2026 eine gemeinsame Tour mit Material beider Alben geben. Adrian ist für uns „wie ein Bruder einer anderen Mutter“, wie man bei uns sagt. Musik ist unsere gemeinsame Sprache – und die sprechen wir weiß Gott fließend. Wir alle lieben seine musikalischen Visionen und sein Talent an der Gitarre. Abgesehen davon hat der Kerl immer einen Witz auf den Lippen – das sind doch wahrlich genügend Gründe, um immer wieder zusammenzuarbeiten und tolle neue Dinge zu schaffen.
Wie schafft man es, nach dreißig Jahren und Tausenden Konzerten immer noch Spaß an der Sache zu haben?
Wir schlafen lange und kehren nach jeder Tour in unser Dorf zurück. Dort finden wir Inspiration, Tradition und Kultur. Abgesehen davon leiden wir immer noch unter Lampenfieber, bevor es auf die Bühne geht, das hält die Aufregung konstant hoch. Oh, und wir lieben, was wir machen – Brassmusik ist unser Leben!
Zähl mal ein paar Highlights auf!
Oh, das waren viele. Aber unsere erste Tour in Deutschland im Frühjahr 1997, die erste Show in Tokio 2001 und der Moment, als Joan Baez beim Cambridge Folk Festival auf die Bühne gesprungen ist und zu unserer Musik getanzt hat, gehören auf jeden Fall dazu.
Gab es auch Momente, in denen ihr alles hinschmeißen wolltet?
Ja, einen. Als wir unser 25-jähriges Bestehen mitten in den Coronalockdowns „feiern“ mussten, kam der Gedanke auf, ob es nicht Zeit für den Ruhestand wäre. War es aber nicht.
Aktuelles Album:
Adrian Raso & Fanfare Ciocărlia, The Devil Rides Again (Asphalt Tango Records, 2025)
Aufmacherbild:








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