Amerikanisches Lebensgefühl: Musik auf einer Veranda auf der Vorderseite eines Hauses – der „front porch“. Zu hören wären natürlich Blues, Bluegrass, Western Swing oder Hawaiimusik. Genau für diese Art des Musizierens steht die Band Front Porch Picking. Die Musiker erwecken amerikanische Rootsmusik zu ganz neuem Leben – mitreißend, voller virtuoser Spielfreude, Sinn für Humor und mit perfekter Bühnenshow. Mit Hula Boogie legt die Band jetzt ihr viertes Album vor, für das sie sich neu erfunden hat und sich doch treu geblieben ist.
Text: Udo Hinz
„Das ist alles amerikanische Volkmusik, und wir retten diese Musik in die Jetztzeit.“
Ein Fest für Fans von Saiteninstrumenten: Wenn Front Porch Picking auftreten, ist die Bühne voll mit Gitarren, Ukulelen, Bässen, Schlagzeug und einer Mandoline – manches davon fast hundert Jahre alt. In der Gruppe haben sich fünf Musiker aus Göttingen und Northeim gefunden, die die Liebe zu handgemachter Musik und authentischen Instrumenten eint. „Ich hatte eine Bluesband und wollte akustische Musik spielen“, erinnert sich Initiator und Gitarrist Dirk Heimberg. „Aus einer spontanen Jam mit Fiddle-Tunes hat sich dann 2006 diese Band formiert.“ Alle Beteiligten begeistern sich für traditionelle Musik aus den USA von 1920 bis 1970. Und damit es nicht langweilig wird, setzen die erfahrenen Musiker immer wieder neue Schwerpunkte. Am Anfang spielte das Quintett viele Fiddlestücke, dann kamen akustische und elektrische Hawaiimusik sowie Bluegrass hinzu, und jetzt liegt der Fokus auf Blues und Western Swing. „Das ist alles amerikanische Volkmusik, und wir retten diese Musik in die Jetztzeit“, so Peter Funk, der Lapsteelgitarre spielt und einer der beiden Leadsänger ist.
Einige der besten Instrumentalisten Südniedersachsens haben sich bei Front Porch Picking vereint. Dirk Heimberg spielte jahrzehntelang in Blues- und RnB-Bands. Zudem beherrscht er Slack Key, den Fingerpickingstil aus Hawaii. Peter Funk trat mit Country- und Swamp-Rock-Gruppen auf, gehört zu Deutschlands renommiertesten Blues- und Akustikgitarristen und veröffentlichte Alben als Solist. Zudem ist er Autor von Lehrbüchern für Gitarre und Ukulele – sein Buch mit Stücken für Lapsteelgitarre erschien sogar in den USA. Drummer und Sänger Tom Dyba spielte in unzähligen Country- und Rockbands. Gemeinsame Wege im Folk gingen Mandolinen- und Ukulelespieler Wolfgang Beisert und Bassist Hans-Jörg Maucksch. Beide waren Gründer von Lilienthal, einer der auch international bekanntesten Deutschfolkbands der Achtzigerjahre. „Nach Lilienthal tauchte ich mit dieser Band in eine ganz andere musikalische Welt ein und habe mir eine neue Art des Mandolinenspiels erarbeitet“, so Beisert. „Mit Hans-Jörg spiele ich mittlerweile seit fünfzig Jahren zusammen.“
„Wir kopieren die Titel nicht einfach, sondern verleihen ihnen unsere ganz eigene Klangnote.“
Das Repertoire von Front Porch Picking ist breit gefächert, von „Nashville Pickin’“ über den „Cannonball Rag“ und „I Like You“ bis zum „Hesitation Blues“, „Long Gone“ und „Rollin’ & Tumblin’“. Hinzu kommen viele Stücke aus Hawaii wie „Radio Hula“, „Honolulu, How Do You Do?“ oder „Blue Hawaii“. Die Band vereint alle Stücke mit ihrem ganz eigenen und in der Szene einmaligen, filigranen Sound. Drei Virtuosen auf Gitarren, Lapsteel und Mandoline/Ukulele erzeugen als Dreigestirn zusammen mit der dynamischen Rhythmusgruppe einen wiedererkennbaren Klang. Der Grund dafür: „Wir kopieren die Titel nicht einfach, sondern verleihen ihnen unsere ganz eigene Klangnote – halt unseren Bandsound“, betont Wolfgang Beisert. Dazu gehören auch originale Instrumente vom Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts. Für Peter Funk verströmen die alten Gitarren echte Magie. „Man weiß ja nicht, durch welche Hände die Instrumente gegangen sind.“ Auftritte hatte das Ensemble unter anderem an der Seite amerikanischer Blueskünstler und -künstlerinnen wie Lightnin’ Wells, David Evans oder Eleanor Ellis sowie der Gitarrenlegende Klaus Weiland. Bei Pop meets Classic spielte das Quintett zusammen mit dem Göttinger Symphonieorchester und bei „Aloha Bavaria“ mit einem bayerischen Stubenmusiktrio. Kult sind ihre Weihnachtskonzerte mit den Aloha Sisters.
Markenzeichen der Band sind bunte Hawaiihemden, Auftritte werden als unterhaltsame Shows konzipiert – Musik bei der die Füße mitwippen, launige Ansagen und amüsante Geschichten rund um die Songs und Instrumentals. „Die Stücke, die wir präsentieren, sind meist nicht so bekannt“, so Peter Funk, „doch sie begeistern das Publikum jedes Mal.“ Hinzu kommt, dass auf der Bühne erfahrene Musiker stehen, die ihr Handwerk beherrschen. Dirk Heimberg: „Unsere Spielfreude kommt im Konzert rüber – und das auch noch nach fünfzehn Jahren!“
„Unsere Spielfreude kommt im Konzert rüber.“
Hula Boogie ist der Titel des neuen, vierten Albums von Front Porch Picking. Für die Aufnahmen ging man ins Göttinger Blueline-Studio, das Bandschlagzeuger Dyba betreibt. „Das neue Album war gar nicht geplant und entstand eher aus Zufall“, berichtet dieser. „Wir saßen bei mir im Studio und haben uns gefragt, was wir in der Coronazeit ohne Auftritte tun sollen – und dann haben wir einfach begonnen, Stücke aufzunehmen.“ Stilistischer Schwerpunkt der acht neuen Titel: Blues und Western Swing. Klanglich hat sich die Band dabei neu erfunden, durch die elektrischen Lapsteel- und Telecaster-Gitarren ist der Sound deutlich elektrischer gefärbt. Erstmalig drückt ein swingendes Schlagzeug die Stücke nach vorn. Dank Mandoline, Ukulele, Mundharmonika und Akustikbass bleibt der Charme akustischer Musik. Noch etwas ist neu: Mit zwei Front- und zwei Backgroundsängern bietet die Band wie beim Titel „Beyond The Reef“ jetzt auch vierstimmigen Gesang.
Die Auswahl der Lieder zeigt zudem, wie demokratisch es in der Band zugeht. Tom Dyba: „Ins Repertoire wird ein Stück nur aufgenommen, wenn wir alle damit glücklich sind.“ Dieses Glück in der Musik hört man beim neuen Album von Front Porch Picking – ob bei fetzigen Titeln für die Südstaatenveranda oder entspannten Ohrwürmern für den Strand von Hawaii.
Tourdaten siehe folkerkalender.de
Aktuelles Album:
Hula Boogie (Eigenverlag, 2022)
Tolles Porträt der Band. Sie ist mir von Beginn an vertraut und daher kann ich aus eigener Erfahrung sagen: Das stimmt! Genauso ist es. Eine großartige Truppe, die immer wieder Freude macht. Sie und der Autor des Artikels wissen, was sie tun. Weiter so.