Zwei wie füreinander geschaffene Stimmen mit traumwandlerisch schönem Harmoniegesang. Die Kölner Musikerin und Sängerin Julia Zech an Banjo und Klavier und der neuseeländische Kontrabassist und Sänger Pierce Black lernten sich an der Kölner Musikhochschule bei einem Bluegrass-Seminar kennen. Seit nahezu fünf Jahren sind sie als Duo unterwegs.
Text: Ulrich Joosten
Nach ihrem Debütalbum Roadkill Highway aus dem Jahr 2018, der EP Raketen und Rauch 2019 und vielen gemeinsamen Kilometern durch Europa – auf den Britischen Inseln werden die beiden sehr gern gehört, ihre CDs wurden bereits mehrfach im BBC-Programm gespielt – veröffentlichten Stereo Naked im November 2021 ihren zweiten Longplayer Unseen Course. Darauf präsentieren sie zwölf selbst geschriebene Americana-Songs mit Old-Time-, Country-, Bluegrass- und Indiefolkanklängen, unterstützt von einer Riege exzellenter musikalischer Gäste, die die Lieder in immer wieder überraschenden Arrangements bereichern. Und das durchaus auf Instrumenten, die man nicht direkt im Bluegrass verortet, darunter Nyckelharpa, Flügelhorn, Bassklarinette oder Posaune, aber auch artgerecht Gitarren, Pedal Steel und Fiddle.
„Stereo Naked packen Bluegrass- und Folkelemente in modernes Songwriting“, stellte Tim Baumann in der Sendung Spielraum im Deutschlandfunk fest. „Mit einfachem wie schönem Harmoniegesang über ruhigem Fingerpicking zaubern Stereo Naked ein paar Sonnenstrahlen auf die Seele.“
Ihren Duonamen, sagt Pierce Black, haben sie gewählt, weil „wir als ein Duoprojekt, also ‚stereo‘ angefangen haben, und ‚naked‘, weil eine Begleitung nur mit Banjo und Kontrabass einen ‚nackten‘ Sound ergibt, bei dem mehr die Stimmen in den Vordergrund kommen“. Black, Jahrgang 1986, ist im neuseeländischen Wellington geboren. Er kommt im Schulorchester zu seinem Instrument, als ein Bassist gesucht wird. „Da ich ein schlaksiger Schüler war, wurde ich mit dieser Aufgabe betraut“, erzählt er. „Meine Familie war nicht besonders musikalisch, aber meine Eltern hören gerne klassische Musik.“ Er wächst „mit einer großen Bandbreite an Musik auf, von Radiohead über Matthew Herbert bis Gustav Mahler. Edgar Meyer hat mich sehr inspiriert, wenn es um Bassisten geht.“ Mit siebzehn Jahren kommt er als Austauschschüler nach Deutschland. „Danach wollte ich unbedingt wieder zurückkehren und es mit Musik versuchen.“ An der Musikhochschule in Köln studiert er klassischen Kontrabass.
Julia Zech ist Jahrgang 1992, sie wächst bei Alzey in der Nähe von Mainz auf. Beide Eltern spielen Klavier, und schon mit sieben Jahren beginnt die Tochter das Instrument ebenfalls zu lernen. „Mein Vater hat viel Bach gehört, meine Mutter viel Leonard Cohen. Ich habe lange klassisches Klavier gespielt und bin dann als Jugendliche zu Pop und Folk gekommen.“ Sie schreibt erste eigene Songs. Zech studiert auf Lehramt, zuerst klassisches Klavier, dann Jazzgesang. Mit Americana und Bluegrass kommt sie erstmals während des Studiums in Kontakt, als ein befreundeter Musiker einen Workshop „Bluegrass für Studierende“ veranstaltet. „Vorher hatte ich schon Kontakt zu Folkmusik“, sagt sie, „zu den Liedern von Bob Dylan, kannte einige Indiefolkbands, die ich gut fand, aber Bluegrass habe ich erst da so richtig kennengelernt. Was mich am Folk sehr gereizt hat, war, dass man auf jedem Level einsteigen und überall mit Leuten jammen kann, während es in der Klassik um Perfektion geht und darum, Sachen zu reproduzieren.“ Während einer Kanadareise kauft sie ein Banjo und übt darauf „fleißig und viel. Ich war da irgendwie on fire, und während der zweiten Reise habe ich einige Workshops mitgemacht und viel mit Musikern gejammt.“
Pierce Blacks Interesse am Liederschreiben wird in einem Singer/Songwriter-Bandprojekt namens The Road geweckt. „Danach wollte ich unbedingt meine Ideen in irgendeiner Form aufnehmen. Und ich wollte es so klein wie möglich halten. Wenn man Abschnitte und Erfahrungen in Liedform aufnimmt, ist das eine schöne Art und Weise, rückblickend sein Leben zu betrachten. Aus diesem Grund habe ich mit dem Liederschreiben angefangen.“ – „Manchmal“, ergänzt Zech, „schreiben wir Sachen auch zusammen. Und wir arrangieren unsere Lieder gemeinsam.“ Jeder ihrer Songs erzählt eine kleine Geschichte. „Ich mag die Abwechslung“, sagt Black. „Wir versuchen immer, mit vielen Kontrasten zu arbeiten und zwischendurch lustige, komische Texte zu haben, aber im Kontrast mit ruhigeren Sachen. Ich finde es sehr spannend, wenn Bands so abwechslungsreich sind.“
„Das Schöne am Duokonzept: Man kann mit verschiedenen Leuten in verschiedenen Kontexten Sachen ausprobieren.“
Dass sich Stereo Naked auch stilistisch nicht eingrenzen lassen, zeigt das getragene Lied „Old Solo“ vom aktuellen Album, das wie ein uraltes keltisches Lied aus den Child Ballads klingt, den mystischen Touch verleiht dem Ganzen der Klang einer Nyckelharpa. „Der Song ist bei einer Bootsfahrt von der Nordinsel zur Südinsel in Neuseeland entstanden“, erzählt Pierce Black. „Wenn man mit einem kleinen Boot auf einem so großen Gewässer unterwegs ist, kann das schon beängstigend sein. Es geht darum, endlich in einem ruhigen, sicheren Hafen anzukommen.“
Auch wenn die Stereo-Naked-Songs eine positive Grundtendenz haben, sind sie, so Black, „textlich nicht immer nur lustig und positiv. Es liegt immer ein Hauch Ironie oder auch Dunkelheit darin.“ Langweilig wird es den beiden jedenfalls nie, fügt er hinzu. „Das ist das Schöne am Duokonzept: dass man mit verschiedenen Leuten in verschiedenen Kontexten Sachen ausprobieren kann. Das ist spannend.“ – „Dieses Jahr waren wir mit dem Duo Rain of Animals unterwegs“, ergänzt Julia Zech. Die Formation besteht aus der australischen Schauspielerin und Musikerin Pepita Emmerichs (Mandoline, Geige, Mandocello, Cello, Tenorgitarre) und dem Schotten Theodore Barnard (Gitarre, Kontrabass). Mit Bluegrass, Old-Time, Swing sowie schottischer und irischer Musik deckt es ein ähnliches Spektrum ab wie Stereo Naked, mit denen sie sich perfekt ergänzen; nachzusehen bei Youtube, wo die beiden Duos den Livestream eines gemeinsamen Konzertes eingestellt haben.
„Wir arbeiten darauf hin, mit Rain of Animals ein Album aufzunehmen. Es soll auf jeden Fall im nächsten Jahr herauskommen, und im Sommer wird es hoffentlich wieder mehr Konzerte geben.“
Bis dahin empfiehlt es sich, dem aktuellen Album Unseen Course zu lauschen oder eines der Stereo-Naked-Onlinevideos anzuschauen und dabei glücklich zu sein.
Videos:
„Old Solo“: www.youtube.com/watch?v=6bd8w7h9evo
„Yodel My Name“: www.youtube.com/watch?v=mo-WiynxgTw
Stereo Naked feat. Rain Of Animals, „Sanity (Live Session)“: www.youtube.com/watch?v=2xNmU2BbDqc
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