Sutari

Köstliche Frucht des polnischen Revivals

25. September 2024

Lesezeit: 4 Minute(n)

Es war eine gute Idee der folkBALTICA-Organisatoren, das polnische Trio Sutari im Treppengewölbe des Hans-Christiansen-Hauses auf dem Flensburger Museumsberg auftreten zu lassen, denn die drei Frauen lieben das Ungewöhnliche. Sie spielen mit ihren Stimmen, sie spielen auf selbst gebauten Instrumenten, Küchenutensilien und zu den Klängen von Wasser, Wind und Wiesengras.
Text: Jens-Peter Müller; Fotos: Iwona Bandzarewicz

Die Gruppe wurde nicht zum ersten Mal zum Festival in die deutsch-­dänische Grenzregion eingeladen. Zur diesjährigen neunzehnten Ausgabe in den ersten Maitagen kam das Trio mit frischen Eindrücken vom größten Ereignis für (neue) polnische Folkmusik, dem Festival Wszystkie Mazurki Świata („Alle Mazurkas der Welt“) in Warschau, wo Basia Songin und Dobromiła Życzyńska leben. Kasia Kapela ist in Wrocław (Breslau) zu Hause. Hört man sie schwärmen von diesem Festival mit Hunderten von folkbegeisterten jungen Menschen, die sich zu Konzerten und Workshops treffen, liest man auf der Website von der zehnstündigen Tanznacht mit traditionellen Tänzen, dann merkt man erstaunt – und erschüttert –, dass dort in unserem Nachbarland musikalisch etwas los ist, wovon wir bei uns kaum etwas wissen.

Sutari

Foto: Iwona Bandzarewicz

„Seit etwa zehn Jahren erleben wir einen unglaublichen Boom, aber die Grundlage wurde vor dreißig Jahren von den Musikerinnen und Musikern geschaffen, die damals anfingen in die Dörfer zu den noch lebenden alten Sängerinnen und Musikern zu gehen, um zu lernen, zu sammeln, die Tradition mit neuen Impulsen lebendig zu halten und weiterzugeben.“ Die vielen neuen Gruppen der Gegenwart seien wie die Früchte an einem Baum, der vor drei Jahrzehnten gepflanzt wurde.

Erstaunlich ist auch die Tatsache, dass es im polnischen Rundfunk mit dem Polish Radio Center for Folk Culture eine eigene Institution gibt, die fast täglich Folkmusik in den Programmen präsentiert, ein großes Archiv unterhält, Aufnahmen macht und neuen Gruppen mit dem eigenen New Tradition Festival die Möglichkeit gibt, sich zu zeigen und durch einen Wettbewerb gefördert zu werden. „Die jungen Leute gehen zu den Festivals, zu den Workshops, oder, wie wir, auch in die Archive und aufs Land, nehmen alles in sich auf, und wenn sie dann voll sind, fangen sie an, ihre eigene Musik zu machen.“

Sutari haben sich 2012 im Umfeld des Zentrums für Theaterpraxis Gardzienice in Lublin gegründet, das eine Einrichtung des Ministeriums für Kultur und nationales Erbe darstellt. Hier haben sie polnische Volksmusikinstrumente und Vokaltraditionen in Verbindung mit sehr experimentellen Inszenierungen kennengelernt. „Wir sehnen uns nach der Natur und dem Land, aber wir sind Frauen aus der Stadt und können und wollen die Tradition nicht einfach so übernehmen.“ Basia Songin, die ohne Ausbildung auf einem Instrument zur Gruppe gekommen ist, hat sich durch das polnische Cello Basetla, das traditionell ausschließlich rhythmische Funktion hat, zum Bau eines Art Folkbasses inspirieren lassen, der als Streichinstrument ihren musikalischen Ideen entspricht.

Sutari

Foto: Iwona Bandzarewicz

Beim Konzert in der mächtigen Akustik des Treppengewölbes treten Sutari mit kräftigem Folkgesang erfreulicherweise immer mal wieder vor die eigentlich unnötigen Mikrofone und legen dann genauso selbstverständlich zu den Rhythmen einer Handtrommel einen mitreißenden Groove mittels eines Loopgerätes unter ein mehrstimmiges Vokalarrangement. Sie haben schöne Videos produziert, auf denen sie geigend und singend in einem plätschernden Waldbach stehen oder ihre Stimmen und Geigenmelodien in einen stillen Zusammenklang mit dem Rauschen der Blätter und Gräser bringen. „Die Natur, das Landschaftsbild hatte immer einen großen Einfluss auf die Ausformung der Volksmusik in Polen. Da, wo es einen weiten Horizont gibt, ist die Musik langsamer und getragen. Im dichter besiedelten zentralen Polen mit vielen Häusern ist der Horizont nah und sind die Melodien am schnellsten.“

Ihrem Blick auf die Welt als zeitgenössische Künstlerinnen geben Sutari auch textlich Ausdruck. Auf dem dritten Album River’s Sisters ehren sie die Arbeit von Frauen, die wie die Gynäkologin und Sexualaufklärerin Michalina Wisłocka in der Geschichte Polens Wesentliches geleistet haben. „Wenn du heiraten möchtest, heiliger Johannes, dann findest du in Polen eine Reihe von leuchtenden Frauen. In jeder einen Brillanten, in jeder eine Stärke, in jeder ein tapferes Herz. Entzünde die Feuer, heiliger Johannes!“, heißt es zum Beispiel.

Seit 2022 gibt es im spannenden Projekt „Across the Baltic Sea“ eine Kooperation mit der schwedischen Gruppe Fränder. Für ihr aktuelles Album, das sie mit ukrainischen und iranischen Sängerinnen aufnahmen, haben sie Lullabies For The World geschrieben. „Anknüpfend an eine der ältesten Vokaltraditionen wollen wir Wiegenlieder für die Welt singen, Lieder aus Liebe, die Erkenntnisse vermitteln und schützen, für die Menschen, für die Natur, für den Frieden.“

sutari.pl

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Aufmacherbild:

Sutari

Foto: Iwona Bandzarewicz

Aktuelles Album:

Sutari

#Kołysankidlaświata – #Lullabiesfortheworld
(Audio Cave, 2024)

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