Auch ein Musiklehrer kann mehr, als Musikgeschichte zu vermitteln oder musizierende Schülerinnen und Schüler fit für den Schulball zu machen. Patrick Helle aus Siegen ist so einer, der in einer Musik-AG das besondere gesangliche Talent seines Schülers Jan Philipp Bäumer entdeckte, und zwar – sehr zur Freude der Klientel des folker – für Folkmusik. Aus dieser Entdeckung entwickelte sich die Band Ticket to Happiness. Wie viele deutsche Folkies begeisterten sie sich sehr für die irisch-keltische Musik, vor allem für Folkrock, wobei sie aber nicht stehen blieben.
Text: Michael A. Schmiedel
Dass dieser Artikel die Gruppe in einer Umbruchssituation erwischte– Jan Philipp Bäumer hat die Band 2024 aus familiären und beruflichen Gründen verlassen – war nicht beabsichtigt. Doch eines nach dem anderen. Der Autor dieser Zeilen jedenfalls kennt sie von ihren Alben und einem Auftritt auf dem Siegburger Stadtfest 2023 bisher nur in der alten Besetzung. Und diese hat beziehungsweise hatte es tatsächlich in sich: Da kam eine Freude rüber, eine „Happiness“ eben, zu der die Band ein „Ticket“ lieferte und hoffentlich weiter liefern wird. Bäumers Gesang bestach durch eine Melodiösität, eine Fülle und eine Kraft, die mit sich riss, getragen durch einen vollen Bandsound von Mandoline, Gitarre, Banjo, Geige, Bass und Schlagzeug. Hinzu kam die scheinbare Multiprovenienz der Musik von Irland über Texas bis Mexiko und zurück nach Deutschland, „sodass man meinen könnte, eine Band mit diversem Migrationshintergrund zu hören“, wie es in folker #1.22 hieß. Mit dem spanischsprachigen Lied „El Ritmo Del Amor“ heimsten Ticket to Happiness sogar einen ersten Preis für das beste Latin-Pop-Stück ein neben anderen Preisen wie „als beste Folkrockband mit der besten Folkrock-CD [All Aboard; Anm. d. Verf.] und dem besten Folkrocksänger“, wie Helle nicht ohne Stolz auflistet.
Das alles begann, wie gesagt, als Schulprojekt, überlebte aber die Schulzeit Bäumers. Im September 2016 war die Band als Trio von Jan Philipp Bäumer, Patrick Helle und dessen Sohn Yannik gegründet worden. Letzterer ist ein mehrfach bei „Jugend musiziert“ ausgezeichneter Gitarrist und in Münster zu Hause. Später stieß dessen Freundin, die Musikstudentin und Violinistin Mona Theyssen dazu. 2017 machte Bäumer sein Abitur. Aufbauend auf unterschiedlichen tradierten Folkstilen, begannen sie, eigene Lieder zu komponieren, die heute das Repertoire bestimmen. Mit dem Produzenten Pomez di Lorenzo veröffentlichten Ticket to Happiness 2018 ihr Debüt All Aboard, woraufhin Auftritte auf dem Rudolstadt-Festival, beim Venner Folkfrühling, dem Bardentreffen in Nürnberg, dem Celtic Folk Festival im Allgäu sowie dem Festival Maritim in Bremen folgten, was der Band einen gewaltigen Schub gab. Helle schwärmt: „Wir würden einiges dafür geben, noch einmal Teil dieses wunderbaren Festivals in Rudolstadt zu werden!“
Die Band erweiterte sich 2019 um Stefan Schwarzinger an Kontrabass und E-Bass sowie Johannes Zinn an der Gitarre, 2022 um Benny Schmidtges am Schlagzeug. Das Album Roaming Riders (2021) und die EP Aufbruch (2023) wurden eingespielt. Den beiden Scheiben merkt man zwei Schwerpunktverschiebungen an, bei ersterer zu Americana, bei zweiterer zu deutschen Texten. Patrick Helles Herz schlägt aber dennoch weiterhin vor allem für die irisch-keltische Musik.
Doch 2024 verließen Schmidtges und eben Jan Philipp Bäumer die Gruppe. Seitdem werden verschiedene Drummer für die Konzerte eingeworben. Eine Stimme für den Frontgesang ist jedoch deutlich schwerer zu ersetzen, ist doch die Stimme eines Menschen zumindest fast so unverwechselbar wie seine Fingerabdrücke. Im selben Jahr aber gelang es, mit Evan Fitzpatrick einen 21-jährigen US-amerikanischen Musikstudenten mit irischen Wurzeln, der die Folkwang-Universität in Essen besucht, als neuen Sänger zu gewinnen. Von dessen irischer Familiengeschichte verspricht sich Helle auch wieder mehr Irish Folk im Bandrepertoire.
Americana und deutschsprachige Lieder sollen aber weiterhin relevante Standbeine bleiben. Wichtiger als die ethnisch-nationale Verwurzelung ist der Band, dass sie vor allem eigene Songs zu Gehör bringt, wogegen traditionelle Lieder oder solche aus der Feder anderer Komponistinnen und Komponisten deutlich an zweiter Stelle stehen sollen. Wünschen von Veranstaltenden nach bekannten Irish-Folk-Evergreens wird zwar stattgegeben, aber Ticket to Happiness bevorzugen eigenes Material, wenn auch das Motto der Truppe mit am besten durch den Song „Happiness“ von We Banjo 3 ausgedrückt wird, in dem es heißt: „Happiness is just around the corner …“
Dermaßen von Frohsinn angetrieben, möchte Helle „weiterhin viele Konzerte und Festivals in ganz Deutschland und darüber hinaus spielen, unsere Fanbasis weiter ausbauen und letztlich mit alldem noch einige Schritte auf unserer musikalischen Reise weiterkommen.“ Möge es so sein!
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