Wildes Holz

25 Jahre ungewöhnlich fantasievoll

14. Dezember 2023

Lesezeit: 4 Minute(n)

Die Band aus Nordrhein-Westfalen hat in ihrer 25-jährigen Bandgeschichte viele Höhepunkte, aber auch Tiefschläge erfahren müssen. Gerade bei den Konzerten des Trios ist der Name durchaus Programm.
Text: Wolfgang Weitzdörfer

Ein Vierteljahrhundert ist auf die Lebensspanne eines Menschen berechnet durchaus eine stolze Zeitspanne – auch wenn sie kosmisch gesehen vermutlich noch nicht einmal ein Augenzwinkern wäre. 25 Jahre eine Band betreiben und davon leben zu können, es hauptberuflich mit der Musik geschafft zu haben – das macht diesen Zeitraum noch ein wenig besonderer. Gerade, wenn es sich dabei nicht um absolut massentaugliche Musik handelt. Wildes Holz ist ein Trio, das 1998 von Tobias Reisige an der Blockflöte, dem Gitarristen Anto Karaula und dem Kontrabassisten Markus Conrads gegründet wurde. Und das heute auf eine durchaus bewegte Geschichte zurückblicken kann. Oder, wie die Band es ausdrückt: „Was für ein Ritt!“

Was Wildes Holz so besonders macht, sind zwei Dinge: die ungewöhnliche Kombination der Instrumente und die fantasievolle Auswahl und Umsetzung zahlreicher Coverversionen bekannter Lieder. Man verfährt hier nicht unbedingt nach dem Motto „Nachahmung ist die größte Form der Anerkennung“. Vielmehr werden die Originalsongs absolut „ausgewildert“, um es einmal so auszudrücken. Ganz aktuell, frisch zum Jubiläum, kann das anhand der neuen Single „Walk On The Wild Side“ – deren Original natürlich vom großen Lou Reed stammt – nachgehört werden. Wildes Holz, wie man die Band kennt und liebt. Sie hat schon lange Jahre ihren Sound gefunden. „Ja, wir haben auf jeden Fall einen speziellen Sound“, bestätigt Tobias Reisige. Aber der ändere sich auch ständig, wie der Flötist direkt hinterherschiebt. „Wenn Markus vom Kontrabass auf die Mandoline wechselt, ich Bassflöten einsetze oder Johannes seine halbakustische E-Gitarre spielt – dann klingt das natürlich direkt ganz anders.“

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Doch wie kommt man eigentlich dazu, ausgerechnet Blockflöte und Kontrabass zu kombinieren – gegensätzlicher geht es schließlich kaum. „Das hat sich bei einer nächtlichen Session in einem Jugendherbergszimmer in Ungarn einfach so ergeben“, sagt Markus Conrads. Mehrere Musikschulensembles aus Recklinghausen seien dort zu Gast gewesen – und hatten nachts noch Lust auf Musik. „Blockflöte, Kontrabass und Gitarre waren die Instrumente, die dann noch verfügbar waren. Wir haben dann einige Standards gespielt – und sofort gemerkt, dass diese Kombination wirklich einen besonderen Klang ergibt“, erzählt Reisige. Dabei dürfe man nicht den Fehler begehen, die Gitarre als „Sahnehäubchen“ auf dem Sound misszuverstehen. „Bei uns gibt es keine Sahnehäubchen. Bei so einer kleinen Besetzung muss jeder über sich hinauswachsen, um überhaupt die Stücke zum Klingen zu bringen. Jeder Ton ist wichtig“, betont Conrad.

Dass diese musikalische Zusammenstellung auch bei den Menschen ankommt, habe das Trio schnell gemerkt. „Beim ersten Konzert schon. Es war eine Kombination aus Überraschung und Begeisterung, die die Reaktion des Publikums zu etwas ganz Besonderem hat werden lassen – und uns weiter angestachelt hat“, erinnert sich Reisige. Für einen sicherlich nicht unerheblichen Teil dieser überraschten Begeisterung sorgen die interessant und mit Bedacht ausgewählten Cover. Man nehme etwa „Sir Duke“ von Stevie Wonder, eine ursprünglich funkige Instrumentalabfahrt, die im Wildes-Holz-Kontext nichts von ihrer Spritzigkeit verliert. Oder das bekannte Rondo „Alla Turca“ von Wolfgang Amadeus Mozart, das bei den „Hölzern“ eine gelungene Kombination von Klassik und Folk ist.

„Es macht Spaß, die Leute zu überraschen.“

Die Bedeutung der Fremdkompositionen für den Bandkontext erläutert Tobias Reisige wie folgt: „Coverversionen sind wichtig, um das Publikum in unsere musikalische Welt hineinzuziehen.“ Markus Conrad ergänzt: „Jeder hat ja seine eigenen Emotionen und Erinnerungen, die mit einem speziellen Song verbunden sind. Die schwingen mit, wenn wir das Lied spielen.“ Auf diese Weise entstehe in der Konzertsituation mehr als nur das, was zu hören sei. Die Zahl der Coverversionen im Repertoire ist bei Wildes Holz nicht gering, was Konzerte in doppelter Hinsicht zu einer heimeligen Geschichte macht – zu einem Klangerlebnis, bei dem man sich zu Hause fühlt. Denn abgesehen von den bekannten Melodien, sind es auch die sehr ohrenfreundliche Instrumentierung, die warmen Klänge der Holzinstrumente, die einem ein gutes Gefühl verschaffen. Natürlich gibt es noch Coversongs, die auf der Liste stehen. „Aber die verraten wird nicht. Es macht mehr Spaß, die Leute zu überraschen“, sagt Reisige schmunzelnd.

Die Musik, die Reaktionen des Publikums, die Stimmung bei Konzerten – das sind fraglos Höhepunkte im Vierteljahrhundert Wildes Holz. 2018 schlägt das Schicksal indes hart zu. Gründungsmitglied und Gitarrist Anto Karaula verstirbt plötzlich. Der Schicksalsschlag hätte zum Ende der Band führen können. Wie motiviert man sich in einer solchen Situation, doch weiterzumachen? Für Tobias Reisige und Markus Conrads eine Gefühlsentscheidung. „Wir hatten einfach das Gefühl, dass die Geschichte von Wildes Holz noch nicht zu Ende erzählt war. Außerdem wird Anto durch seine Musik immer bei uns sein.“

Nach einem zweijährigen Intermezzo Djamel Laroussis, der 2019 und 2020 die Gitarre zupfte und den Sound durch seine algerischen Wurzeln ergänzte, tritt 2021 der Remscheider Johannes Behr Wildes Holz bei. Es ist sicherlich nicht einfach, in ein seit über zwei Jahrzehnten bestehendes Bandgefüge zu kommen – für beide Seiten. „Man muss offen sein und viel kommunizieren“, sagt Tobias Reisige. Markus Conrad ergänzt: „Am wichtigsten ist es, einen gemeinsamen Groove zu finden, der das jeweilige Stück trägt. Aber es hat sich toll entwickelt mit Johannes, er ist sehr flexibel und kreativ.“ Johannes Behr sieht das Zusammenspiel im Trio als einen Prozess an. „Es hat eigentlich von Anfang an gut geklappt, ist aber im Laufe der Zeit immer noch besser geworden. Ich habe durch die regelmäßigen Konzerte viel über Groove in einer Besetzung ohne Schlagzeug gelernt.“

Zum 25-Jährigen gibt es nun ein Best-of-Album, aber auch schon Pläne für die Zukunft. „Wir haben ein Programm mit klassischer Musik zusammengestellt, das wir an besonderen Orten wie der Elbphilharmonie spielen werden. Davon soll es ebenfalls ein Album geben“, verspricht Markus Conrad.

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www.wildes-holz.de
www.youtube.com/@wildesholz7879

 

Aktuelles Album:

25 Jahre auf dem Holzweg (Do-CD; Galileo Music, 2023)
Aufmacherfoto:

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