Der Weiherer

Kein Blatt vorm Mund

26. September 2023

Lesezeit: 5 Minute(n)

Er ist zum Schreien komisch, auf der Bühne eine Rampensau, ein authentischer Grantler und eine ehrliche Haut. Man mag es kaum glauben, dass der jugendlich anmutende, langhaarige Jeans- und Sweaterträger Christoph Weiherer schon seit zwei Jahrzehnten mit seinen Dialektliedern und skurrilen Geschichten unterwegs ist. Und das nicht nur in seiner niederbayerischen Heimat.
Text: Ulrich Joosten

Wenn der „langhaarige Liederbombenleger“ (Kieler Nachrichten) und „niederbayerische Brutalpoet“ (Süddeutsche Zeitung) mit Nylonsaitengitarre und Mundharmonika auf die Bühne kommt, hat er sein Publikum im Handstreich im Griff. Und es folgt ihm, wenn er seine sozial- und gesellschaftskritischen Lieder vorträgt, skandiert den Refrain mit bei „Scheiß da Hund“ oder die Postleitzahl von Brunsbüttel – „25541“ –, wie das im Internet millionenfach angeklickte Video zeigt.

Angefangen hat alles 1999. Da gründet Christoph Weiherer mit seinem Kumpel Christian Brams ein Duo mit dem Namen Canis Lupus. Sie nehmen im Oktober 2000 das Album 2001 auf, gedacht als Demo-CD. „Das war ein Spaßprojekt, zu dem mit einer Ausnahme ich die Lieder beigesteuert habe“, erinnert er sich.

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„Als Kunstform kam für mich nur der Liedermacher in Frage.“

2002 kommt es zu Weiherers ersten Soloauftritten. „Mich hat diese ganze Liedermacherszene interessiert. Dieses Einfache, sich mit wenig technischem Aufwand mit der Gitarre auf die Bühne zu stellen wie Reinhard Mey und eine riesige Halle oder Kleinkunstbühne zu bespielen. Nachdem ich mir mit fünfzehn, sechzehn selber ein bisschen Gitarre beigebracht hatte, kam meine Liedermacherbegeisterung, und ich habe mit sechzehn angefangen, eigene Songs zu schreiben.“ Die aber, wie er bekennt, „alle nix getaugt haben“. Mit neunzehn schreibt er die ersten Lieder, die die Zeit überdauern. „Fährmann“ (Titelstück seines Solodebüts 2002) oder „Eia Sissdem“ spielt er heute noch auf seinen Konzerten. Für ihn, sagt er, „kam als Kunstform nur der Liedermacher in Frage, weil das einfach, rudimentär und für meinen Begriff ehrlicher war. Man steht alleine auf der Bühne, es lenkt überhaupt nichts ab, du wechselst kein Instrument, da ist zwei Stunden lang der Fokus komplett auf dich gerichtet. Das hat mich immer fasziniert.“

„Die Leute wie auf einer Achterbahn mitnehmen.“

Dabei ist Weiherer keine geborene Rampensau. „Ich bin erst im Laufe der Zeit da reingewachsen“, bekennt er freimütig. „Heute kann man klar von einer Rampensau sprechen. Das war nicht von Anfang an so.“ Zu Beginn seiner Karriere sind seine Konzerte ernsthafter und ein gewisses Sendungsbewusstsein hört man seinen gelegentlich durchaus melancholischen Texten an. Als er auf der Bühne einmal seine Gitarre nachstimmen muss, erzählt er zur Überbrückung, was ihm tagsüber passiert ist. Weiherer merkt, dass das Publikum zuhört und sogar aufmerksamer auf die Zwischentöne lauscht. „Und dann habe ich gedacht, das könnte ja Hand in Hand gehen, die Leute wie auf einer Achterbahn mitzunehmen: einerseits mit den Liedern ins Ernsthafte, Gesellschaftskritische und Politische zu gehen, andererseits mit den Ansagen für eine lustige Komponente zu sorgen und dadurch eine gewisse Leichtigkeit in die Konzerte hineinzubekommen. Das hat mit jedem Auftritt besser funktioniert. Und so hat sich dann das Rampensau-Gefühl entwickelt.“

Und der Weiherer nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. Der Meister im „Derblecka“ legt mit seinen Liedern und Geschichten im breitesten bairischen Dialekt den Finger in die Wunde. Dahin, wo es weh tut. Und nennt Ross und Reiter. So scheut er sich nicht, den ehemaligen CSU-Generalsekretär und Ex-Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt auf offener Bühne einen Deppen zu nennen und ihn zu zitieren: „Diejenigen, die gestern gegen Kernenergie, heute gegen Stuttgart 21 demonstrieren, müssen sich nicht wundern, wenn sie übermorgen ein Minarett im Garten stehen haben.“ Er warte seitdem auf sein Minarett, fügt Weiherer genüsslich hinzu, er habe sich allerdings schon Gedanken gemacht, wohin damit, „weil ich in München im dritten Stock wohne …“

Der Weiherer hat für seine heimatverbundenen Dialektlieder über die absurden und irrwitzigen Seiten des Lebens verschiedene Preise bekommen. 2005 den Förderpreis der Liederbestenliste, 2008 den Jurypreis der Hoyschrecke und 2016 den Nachwuchsförderpreis der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung. Kann er es mit seinem liedermacherischen Gewissen vereinbaren, letztere Auszeichnung anzunehmen? „Das ist die Frage, ob man da das Gewissen mitspielen lassen darf. Vielleicht ist ja der Plan gewesen, mir einen Preis zu geben und mich damit mundtot zu machen. Hat nicht funktioniert. Das Preisgeld habe ich trotzdem genommen und den Preis.“

Bei der Preisverleihung singt er selbstverständlich „Is des nu mei Hoamat“ – „das Lied übern Dobrindt. Es waren ja viele Leute von der CSU vor Ort, und das war dann wiederum für mich eine Herausforderung. Die Leute meiner Zielgruppe, also die, die so denken wie ich, sind ja eh schon auf meiner Seite. Und jetzt hatte ich einmal die Gelegenheit, vor Leuten zu spielen, die eben nicht auf meiner Seite sind. Ich habe kurz befürchtet, mit dem Dobrindt-Song verschissen zu haben. Als ich damit anfing, hat sich das ganze Publikum geduckt, und ich dachte, ich habe verloren. Ich habe den halbstündigen Aufritt aber wieder hingebogen. Und die Leute waren begeistert, und viele haben mir hinterher recht gegeben … Also, er hat funktioniert, dieser Auftritt.“

Weiherer

Foto: Christian Kaufmann

Vielleicht, sinniert er griemelnd, habe er den Preis ja auch aus Dankbarkeit bekommen, nachdem er 2015 die Gruppe Weiherer und die Dobrindts gegründet hat. „Weil die sich gesagt haben: Mensch, da nennt jemand eine Band nach einem aktuellen CSU-Politiker, da hat der einen Preis verdient.“

Nach der Jubiläumstour hat er keinen großen Plan für die Zukunft. „Derzeit schreibe ich neue Lieder und bin ab Herbst mit neuem Programm unterwegs. Sobald die neuen Songs stehen, könnte ich mir vorstellen, erst ein Soloalbum zu machen und die gleichen Lieder dann eins zu eins noch einmal mit Band umzusetzen. Aber wenn, werde ich ihr vermutlich einen neuen Namen geben. Kurzzeitig habe ich an ‚Weiherer und die Zeugen Seehofers‘ gedacht, was mir sehr gut gefällt.“

www.weiherer.com

 

Aktuelles Album:

Im Prinzip aus Protest (Donnerwetter Musik, 2019)

 

Videolinks:
„25541 Brunsbüttel“ bei den Songs an einem Sommerabend 2016: www.youtube.com/watch?v=yBGjR8c3-is
Weiherer bei Ringlstetter im Bayerischen Fernsehen: www.youtube.com/watch?v=0iEm1jfPSAo
Weiherer und die Dobrindts mit „Undda Drugg“: www.youtube.com/watch?v=sU3PR90DF0M

 

Aufmacherfoto:

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