Die Situation für Mundartmusik ist je nach Region in Deutschland unterschiedlich. Mancherorts werden die heimischen Dialekte nach wie vor gepflegt, im Alltag wie in der Kultur. Woanders sind sie vom Hochdeutschen weitgehend verdrängt und werden nur noch von wenigen, meist älteren Menschen gesprochen. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Musik. Wir haben vier Fachkundige der jeweiligen Großregionen gefragt, wie es um die Dialektmusik im Norden, Osten, Süden und Westen der Republik steht. Ein Überblick, der durchaus Hoffnung macht.
Text: Ulrike Zöller
Ein Land, das in einem Werbeslogan für seinen Dialekt wirbt, so meint man, identifiziert sich über seine Mundart beziehungsweise seine verschiedenen Mundarten. Dieser Schluss liegt nahe. Dialekt wird in Baden-Württemberg von staatlicher Seite gefördert, vor allem Ministerpräsident Winfried Kretschmann legt Wert auf sprachliche Identität, die „kein Konkurrent“ zur Standardsprache sei, „sondern Komplement“. Die Muettersproch-Gsellschaft fördert Sängerinnen, Autoren und den Bereich Kabarett – vor allem auf der rein sprachlichen Ebene haben baden-württembergische Dialekte Fuß gefasst und sind auch bundesweit bühnentauglich geworden.
Django 3000
Foto: Laura Besch
Vorbei ist sicherlich die Zeit der großen schwäbischen und badischen Liedermacher, die deutschlandweit die Friedens- und Anti-AKW-Bewegung mit ihren Dialektliedern anfachten („Nai hämmer gsait!“). Thomas Felder, Wolle Kriwanek oder Linnenzworch verbanden in den Siebzigern, Achtzigern ähnlich wie die Biermösl Blosn in Bayern politische und soziale Ziele mit Mundartmusik und machten deutschlandweit von sich reden. Es gibt sie aber auch hier noch, die Folkies, Rockmusiker oder Slammerinnen, denen der Dialekt wichtig ist und die sich durchaus auch sozial engagieren – Folkrockbands wie Wenndrson aus dem Rems-Murr-Kreis nordöstlich von Stuttgart, die vielseitige Künstlerin Elena Seeger aus dem Killertal am Nordrand der Schwäbischen Alb oder Die Liadhaber aus Bayerisch-Schwaben um die Volksliedforscherin Dagmar Held. Vor allem auf ihre alemannische Tradition besinnen sich badische Ensembles, mit Wirtshausmusik, alten Tänzen und tradierten Mundartliedern.
Elena Seeger
Foto: Promo
Man findet das Dialektlied in Baden-Württemberg, aber es liegt nicht so offensichtlich in der Luft oder auf der Straße beziehungsweise in den Wirtshäusern, Clubs oder auf Festivals wie in Bayern von Oberfranken bis ins Allgäu. Vor allem in Franken und Oberbayern boomt der Dialekt: Acts wie Kellerkommando, LaBrassBanda, Dreiviertelblut, Pam Pam Ida oder Django 3000 sorgen seit rund fünfzehn Jahren dafür, dass Dialekt in der bayerischen Musik omnipräsent ist. Aber auch aus Niederbayern kommt Originelles vom Weiherer (siehe auch Artikel in dieser Ausgabe), Monika Drasch (siehe Artikel in folker #2.23) oder Rapper Monaco F. Die vorige Generation der Dialektmusikschaffenden wie die Wellküren, Biermösl Blosn, Well-Brüder oder Ringsgwandl tritt teilweise immer noch auf, die Welle ist jedoch nicht verebbt – wie unter anderem die Ableger der Musikfamilie Well Wellbappn und NouWell Cousines zeigen –, sondern hat sich verjüngt und ausgebreitet in gesellschaftliche Schichten, die vormals wenig mit sprachlicher Identität zu tun hatten.
Kellerkommando
Foto: Severin Schweiger
Dass sich mit BR Heimat beim Bayerischen Rundfunk ein Sender traut, selbst aktuelle Nachrichten und Berichte sowie ganze Stundenfeatures im Dialekt zu senden und Sängern und Sängerinnen traditioneller Volksmusik bis in den Folk- ,Rock-, Blues- und Jazzbereich ein Podium zu bieten; dass Bayern 2 mit der Marke „Heimatsound“ unter anderem Mundartpop, -folk und -blues fördert sowie seit 2014 mit dem inzwischen legendären Heimatsound Festival in Oberammergau Dialektales unterstützt, zeugt vom mundartlichen Zeitgeist in Bayern – und hat ihn zum Teil mit hervorgebracht.
Die heute zwanzig- bis vierzigjährigen Mundartaffinen in Bayern wurden aber bereits als Kinder zu begeisterten Dialektsängern und -sängerinnen: durch die Alben und Liederbücher der Biermösl-Kinder, die in den Neunzigern Kult waren, und durch das Duo Sternschnuppe, Margit Sarholz und Werner Meier, die auf vielen Veröffentlichungen und in unzähligen Kinderkonzerten lustvoll Kinderlieder in bayerischer Mundart für und mit den Kindern singen. Über das Lied von der Kuh, die ins Kino gehen wollte, lachten schon die Eltern der heutigen Schulkinder. Allerdings sind die Lieder von Sternschnuppe, die unter anderem mit bayerischen Musikschulen zusammenarbeiten, nicht nur Bayernfun oder oberflächliches Trallala, sondern behandeln auch Themen wie Migration, Rassismus, Ausgrenzung oder die Trennung der Eltern. Dass diesem Unternehmen im Juni 2023 der Oberbayerische Kulturpreis zuerkannt wurde, spricht für eine Politik, die Dialekt, kritische Weltanschauung und lustvollen Umgang mit Sprache fördern will. Ja, so etwas gibt’s auch in Bayern.
www.dreiviertelblut.de
www.elenaseeger.weebly.com
www.hans-well.de
www.kellerkommando.de
www.labrassbanda.com
www.liadhaber.de
www.monacof.com
www.monikadrasch.de
www.nouwell-cousines.de
www.pampamida.de
www.ringsgwandl.com
www.sternschnuppe-kinderlieder.de
www.weiherer.com
www.well-brueder.de
www.wellkueren.de
www.wendrsonn.de
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