Angegliedert an die University of Limerick hat Irland seit 1994 einen Ort für das Hochschulstudium der traditionellen Musik und des irischen Tanzes. Das hat einen großen Einfluss auf die gesamte traditionelle Musikszene sowie die wissenschaftliche Arbeit rund um die irische Musik und den Tanz.
Text: Sabrina Palm
Als Pianist Mícheál Ó Súilleabháin gemeinsam mit seiner zweiten Frau Helen Phelan die Irish World Academy of Music and Dance gründete, stand die Vision eines Treffpunktes im Mittelpunkt. Eines Treffpunktes für praktische Musikausübung und deren akademische Betrachtung. Eines Treffpunktes für Musik und Tanz im Allgemeinen. Eines Treffpunktes für traditionelle Musik und Klassik. Es ging ihm immer darum, Brücken zu bauen. So bemühte sich Ó Súilleabháin wenige Jahre nach der Gründung der Academy auch um den Umzug des renommierten Irish Chamber Orchestras von Dublin in die Stadt an der Shannonmündung. 2008 konnte dann von allen ein eigenes, modern gestaltetes Gebäude mit zwei Theatern, Aufnahmestudio sowie Übe- und Tanzräumen bezogen werden.
Das Angebot an Studiengängen ist verhältnismäßig groß. Wie an Hochschulen im angelsächsischen Raum üblich, gibt es im Undergraduate-Bereich keine besondere Trennung zwischen akademischer Lehre und künstlerischer Ausbildung. Diese kommt dann im Masterstudium, wo man zwischen musikwissenschaftlichen Angeboten, künstlerischen, pädagogischen, aber auch zum Beispiel musiktherapeutischen Studiengängen wählen kann. Mit dem Certificate in Music and Dance gibt es eine Art Vorstudium und mit der Blas International Summer School ein Kursangebot für Schülerinnen und Schüler in den Sommerferien.
So bietet die Irish World Academy viele Möglichkeiten des Andockens, weswegen sich die Institution großer Beliebtheit erfreut. Der Fokus auf die traditionelle Musik Irlands und auch den irischen Tanz ist dabei ein schwerwiegender Faktor, denn den gab es in dieser Dimension vorher in Irland nicht. Dieser scheint es auch zu sein, der – nach Angaben der Einrichtung selbst – Studierende aus bisher über vierzig Ländern nach Limerick gelockt hat.
Der ehemalige Student Tadhg Ó Meachair nimmt die Irish World Academy als extrem einflussreich wahr. Er hat nach einem Bachelorstudium dort den Master in Ethnomusicology gemacht und promoviert in dem Fach gerade in den USA. Außerdem hat er mit Studienkollegen und -kolleginnen die Bands Goitse und One for the Foxes gegründet, mit denen er weltweit tourt. Ó Meachair beschreibt die Irish World Academy so: „Sie bietet die Zeit und den Raum, ein Projekt zu starten. Du bist von Musik umgeben – es gibt die anderen Studierenden, das Lehrpersonal, aber auch die Gastlehrenden. Es werden Leute angezogen, die Musikschaffende sein wollen, und es gibt Anleitung für die ganzen praktischen Themen wie Tontechnik, Booking und so weiter.“ So wundert es ihn nicht, dass auf den ganz großen irisch orientierten Festivals, wie zum Beispiel beim gigantischen Milwaukee Irish Fest in den USA, fast alle Bands des Line-ups im Zusammenhang mit der Irish World Academy stehen.
Tadgh Ó Meachair
Foto: One for the Foxes
Genauso sieht es die Deutsche Catherine Kuhlmann, die während der Coronapandemie das Certificate abgeschlossen hat. „Sehr viele Menschen, die beruflich Musik machen wollen, haben sich dort getroffen und dann irgendwelche Bands an den Start gebracht.“ Sie singt selbst in der Formation Larún, mit der sie durch Deutschland tourt, ist aber ebenfalls als Tontechnikerin und Klavierbauerin tätig sowie als Mitorganisatorin des Venner Folk Frühlings. Kuhlmann beschreibt allerdings auch, dass viele Studierende nach dem Abschluss dann doch als Lehrkraft an allgemeinbildenden Schulen landen. Tadgh Ó Meachair sieht das aber nicht nur negativ als Verlust professioneller Musikerinnen und Musikern, sondern auch als Möglichkeit, traditionelle Musik kompetent und reflektiert in die Schulen zu transportieren. Damit der Zugang zum normalen Lehrerberuf machbar ist, wird im Rahmen des Lehrplans darauf geachtet, dass auch ein Umgang mit der westlichen Kunstmusik vermittelt wird, obwohl die Grundhaltung der Irish World Academy absolut „antikolonial“ ist, wie Ó Meachair betont. Wer mit einer klassischen (deutschen) Musikausbildung auf die Lehrinhalte der Studiengänge schaut, wird denken, dass das Niveau doch eher niedrig und absolut nicht vergleichbar mit deutschen Musikhochschulen ist.
Catherine Kuhlmann
Foto: Nina Simon
Nicht zu vergessen ist bei der Betrachtung allerdings, dass traditionelle Musik sowohl eine andere Didaktik hat als auch andere Inhalte und Ziele mit sich bringt. Schon bei den ersten Niederschriften durch englische Musiker und Musikwissenschaftler im Irland des achtzehnten Jahrhunderts wurde die Musik in das westliche Notensystem gepresst, was ihr sicher nicht immer gerecht wurde. Die musikwissenschaftliche Arbeit der Irish World Academy ist in diesem Hinblick richtungsweisend für eine zeitgemäße, postkoloniale Reflexion der Musikkultur Irlands. Bei internationalen Konferenzen und in Sammelbänden liefern akademische Mitarbeitende sowie Absolventinnen und Absolventen der musikwissenschaftlichen Studiengänge viele wichtige Beiträge. Und durch eine weniger folkloristisch, sondern eher musikethnologisch orientierte Betrachtung wird die Möglichkeit gegeben, anderen Musikstilen – wie beispielsweise der klassischen Kunstmusik – auf Augenhöhe zu begegnen.
Das ist für die Entwicklung der traditionellen irischen Musik nicht zu unterschätzen und war sicherlich eins der Ziele Mícheál Ó Súilleabháins. Auch nach seinem Tod 2018 muss man sich um den Fortbestand und die Weiterentwicklung der Irish World Academy keine Sorgen machen, selbst wenn es immer wieder Kritik gibt. Diese speist sich oft aus dem Gegensatz von konservativer Haltung zu Innovation innerhalb der traditionellen Musik. Größere Sorge an der Stelle ist aber wohl unbegründet, denn wie Tadhg Ó Meachair sagt: „Egal, was sie auf die Bühne bringen, es gibt immer noch viele Studierende, die am Ende des Tages einfach nur Tunes spielen und immer wieder dahin zurückkommen.“
Videolinks:
www.youtube.com/irishworldacademy
Goitse, „Transformed“: www.youtube.com/watch?v=SR5HiWPlsPg
One for he Foxes, „One Fot The Foxes“:www.youtube.com/watch?v=0XwJMnlRC5U
Larún, „Keep Hauling“: www.youtube.com/watch?v=Z_Ax-bOX7GM
Aufmacherfoto:
Irish World Academy
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