Was verstehst du unter politischem Lied, politischer Musik?
Als in der Öffentlichkeit stehender und aktiver Schwarzer Mensch kann ich mein Leben in Deutschland und meine Kunst nicht so wirklich voneinander trennen. Auf jedem Album gibt es eine Vielfalt an Themen, die ich klar benenne und verarbeite. Die gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit (Rechtsruck, Klima, Rassismus und mehr), die kollektive Erfahrung von Minderheiten, die tagtäglich mit diversen Diskriminierungsformen konfrontiert werden, sind Fakt. Für mich sind Privates und Politisches kaum trennbar. Das macht wahrscheinlich die meisten meiner Songs politisch. Die politischsten meiner Lieder haben einfach klare Botschaften, klare Absagen an Rechts, an Rassismus, an Europas unwürdige Migrationspolitik, an Antifeminismus, an Hass, an Diskriminierung.
Was kann ein politisches Lied bewirken?
Ich merke, dass meine Musik Menschen zum Nachdenken bringt und ihnen zugleich Mut macht. Wenn ich meinen sehr persönlichen Song „Ich bin Schwarz“ auf der Bühne akustisch singe, folgt Stille, nachdem alle erst mal lauthals wegen des Wortspiels gelacht haben. Meine ironischen Zeilen scheinen nachdenklich zu machen. Ich denke, dass liegt daran, dass ich eine Perspektive und Alltagsrealität aufzeige, die Menschen ohne Diskriminierungserfahrungen nicht unbedingt kennen. Außerdem kann Musik dazu anregen, motivieren, sich ebenfalls zu positionieren, aktiv zu werden. Musik kann auch andere Menschen mit ähnlichen Erfahrungen eine Stimme geben oder zu Solidaritätsbekundungen führen. Ich selbst merke, dass mich Musik mit politisch-persönlichen Statements anderer Menschen mit Diskriminierungserfahrung sehr berührt und mir immer wieder bestätigt, mit meinen Erfahrungen, Gefühlen und Visionen nicht allein zu sein.
Welches Lied findest du besonders wichtig und warum?
Ich finde, dass jedes meiner Lieder eine bestimmte Funktion erfüllt. Es ist schwierig da eine Wahl zu treffen. „Sage Nein“ ist eine von mir überarbeitete Version von Konstantin Weckers Original und ging in den sozialen Medien viral. Das Lied spiele ich fast bei jedem Konzert. Ich denke, das zeigt, wie viel Angst Menschen vor den politischen Entwicklungen haben, wie viel Unwohlsein das auslöst und wie es ein Anker sein kann, wenn jemand darüber singt. Der Song fordert dazu auf, klar NEIN zu sagen, etwa beim Erleben von Diskriminierung oder von Anfeindungen. Es geht um Zivilcourage, es geht um politische Zeichen, es geht um Gespräche im privaten Umfeld. Das Lied habe ich neulich noch mal umgeschrieben und die Begrifflichkeiten aktualisiert.
Deutschland ist auf dem rechten Auge blind.
Welche Bedeutung hat – oder welche Rolle spielt – Politik in der Musik heute aus deiner Sicht?
Das ist für mich schwer zu sagen. Ich schätze, in jedem Genre gibt es sehr gesellschaftspolitische Songs, die Phänomene in unserer Gesellschaft thematisieren, die die Erfahrungen, Emotionen und Visionen der Künstler*innen widerspiegeln. Aber es gibt auch in jedem Genre Musik, die einfach nur zu guter Laune, Tanzen oder Mitfühlen einlädt. Ich finde beides wichtig. Manchmal will man auch einfach alles vergessen und bloß tanzen.
Oft werden politische Lieder missbraucht, vereinnahmt, fehlinterpretiert. Wo ist die Grenze? Ist das legitim? Lässt sich das überhaupt verhindern?
Ihr spielt mit der Frage wahrscheinlich auf den Hit „L’Amour Toujours“ an? Wenn nicht, dann ist es ein sehr treffendes Beispiel für meine Antwort. In diesem Fall ist die Grenze weit überschritten, denn die genutzten Parolen sind menschen- und ausländerfeindlich, populistisch und spielen mit rechtsextremem Gedankengut. Solche Ohrwürmer finde ich brandgefährlich. Sie verharmlosen diese Botschaften und machen sie salonfähig. Ob sich das verhindern lässt? Na ja, man kann Lieder verbieten. Ja. Aber ob und von wem sie gehört werden, lässt sich schlecht kontrollieren. Ich denke, man muss viel früher ansetzen und mit Bildungsarbeit, politischer Aufklärung und starkem Verfassungsschutz gegen rechte Ideologien angehen. Deutschland ist auf dem rechten Auge blind. Die politische Mitte wird rechter, spielt mit, wahrscheinlich, um möglichst viele Stimmen von rechts einzukassieren. Das ist gefährlich. Und ein Kanzler, der Ansagen gegen Naziparolen macht und gleichzeitig „in großem Stil“ abschieben möchte, muss aus meiner Sicht Christentum und Nächstenliebe neu für sich definieren.
0 Kommentare