Als Sarah Jarosz 2017 ihren ersten Grammy bekam, war ihre alte Plattenfirma Sugar Hill gerade von Rounder geschluckt worden. Letzteres wurde 1970 als Indielabel gegründet von drei „Romantikern, die sich in Opposition zum Kapitalismus, zur programmatischen Starrheit der alten Linken und zu den eher doktrinären kulturellen Regeln des Folkrevivals selbst stellten“, wie Michael F. Scully in seinem Buch The Never-Ending Revival: Rounder Records and the Folk Alliance schrieb, und ist ein klangvoller Name unter Folkies. Indie ist allerdings relativ. „Follow the money“, wie es so schön heißt …
Text: Martin Wimmer
Rounder Records gehört heute der riesigen Concord Music Group, die mit vier bis sechs Milliarden Dollar bewertet wird und selbst zu rund 90 Prozent im Besitz des Michigan Retirement Fund ist, der wiederum von der Investmentgesellschaft Barings gemanagt wird, die rund 380 Milliarden Dollar Vermögen verwaltet, selbst aber dem Versicherungskonzern Mass Mutual gehört, einem der umsatzstärksten Unternehmen der USA. So ist das, wenn man eine junge Künstlerin unterstützt und ihr neues Album kauft. So ist das, mit der Opposition zum Kapitalismus.
Man tut natürlich dennoch gut daran, Polaroid Lovers anzuhören. Geld ist ja nicht alles. Es geht immer noch um Musik. Und die hat sich sehr verändert beim ehemaligen Bluegrass-Wunderkind, das im Alter von zehn Jahren die Mandoline für sich entdeckte und mit sechzehn den ersten Plattenvertrag unterschrieb. Nach zwei eher experimentellen Alben lässt sie auf ihrem siebten Solowerk die Wurzeln ganz hinter sich und wagt ein hörbar auf kommerziellen Mainstream angelegtes Produkt. Das macht es für zwei Zielgruppen schwer: Nicht alle Jarosz-Fans der ersten Stunde werden diese Volte mitgehen, und Bluegrasspuristen werden den neuen Sound ohnehin nicht goutieren. Nicht etwa, weil dieser hypermodern elektronisch wäre, sondern im Gegenteil, weil Achtziger-Retro-Keyboards für viele auch heute noch eher gewöhnungsbedürftig sind.
Aktuelles Album:
Sarah Jarosz
Polaroid Lovers (Rounder Records, 2024)
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