Jessie Monk

Magisches Berlin

10. Juni 2024

Lesezeit: 4 Minute(n)

In der angesagten Metropole reifte Jessie Monk im Schatten der Pandemie zu einer neuen vielversprechenden Stimme des Folk heran.
Text: Erik Prochnow

Sie ist eine Reisende. In der Welt und in den Künsten, immer auf der Suche nach dem Mysterium des Lebens und der Musik. Seit fünf Jahren wirkt die australische Musikerin bereits in Berlin. Doch erst im vergangenen Jahr erschien ihr Debütalbum Continually Becoming. Es ist dabei vor allem ihre Stimme, die nicht mehr loslässt. Obwohl man unweigerlich an Joni Michtell, Ani DiFranco oder auch Joan Baez erinnert wird, strahlt Jessie Monk einen ganz eigenen hellen Klang aus. Ihre Songs über das Erwachsenwerden sprühen vor Lebenslust und Nachdenklichkeit und vereinen spielerisch Elemente von Indie, Folk oder auch Jazz mit großer Intensität und Leichtigkeit.

Monk fühlte sich schon als Jugendliche zur Chormusik und dem Theater hingezogen. „Mit fünfzehn bekam ich zu Weihnachten das Album Blue von Joni Mitchell, und das hat mich umgehauen“, blickt die heute 27-Jährige zurück. Von da an stürzte sie sich in die Musik der Sechziger und Siebziger, entdeckte David Bowie. „Ich war ein großer Fan“, sagt sie. Von der Violine, die sie als Kind lernte, wechselte sie zu Gitarre und Klavier. Es war daher eine logische Konsequenz, dass sie an der Universität von Melbourne Tanz und klassischen Gesang studierte. Hier fand sie nicht nur ihre eigene Stimme, sondern auch ihren ganz eigenen Stil. Von beiden wird in Zukunft noch viel zu hören sein. „Der klassische Gesang hat meine Richtung verändert. Alles, was ich dort gelernt habe, war ein gutes Training, um meine eigenen Songs zu entwickeln“, beschreibt die Musikerin den Beginn ihrer Musikkarriere.

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Meist komponiert sie auf der Gitarre. Monk: „Auf ihr kann ich die Stimmung verändern und dann einfach entdecken.“ Aus der Inspiration entwickelt sie anschließend entweder ein Gedicht oder ein Riff. Bis zu ihren ersten professionellen Aufnahmen in Berlin war es aber noch eine lange Wegstrecke. Denn nach dem Studium etablierte sich die in Kanada geborene Künstlerin erst einmal im Musicaltheater. „Ich bekam eine Rolle in dem Stück Lazarus von David Bowie“, erinnert sie sich. Durch die intensive Auseinandersetzung mit Bowie, der in den Siebzigern in Berlin lebte, wurde ihr Interesse an der deutschen Metropole geweckt. Doch, dass sie dort schließlich landete, war Zufall.

Jessie Monk

Foto: James Allingham

Denn nach ihrem Musicalengagement ging Jessie Monk zunächst nach Israel, um dort zeitgenössischen Tanz zu studieren. Als ihr Visum im Dezember 2019 auslief, war sie gerade in Ägypten. An der Grenze sagte man ihr, dass sie ein Flugticket vorweisen müsse, dass ihre Ausreise belege. „Deshalb buchte ich den günstigsten Flug, den es gab, und der ging nach Berlin-Tegel“, kann Monk es immer noch nicht ganz glauben, dass sie damals plötzlich in der Visaschlange in der deutschen Hauptstadt stand. Zu der Zeit konnte man ein Visum noch direkt vor Ort bekommen. Es war ein dunkler, kalter Winter, wie sie ihn so noch nie erlebt hatte, sie kannte niemanden und hatte nur eine Tasche mit Sommerkleidung dabei. „Aber Berlin war eine große böse Bestie, sie war inspirierend, und obwohl es der Beginn der Pandemie war, hatte ich ein paar Monate ein wundervolles, normales Leben. Es war magisch, ich liebte es.“

Sie schien zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein. Schnell lernte sie den Bassisten Paul Santner und seine Partnerin, die Violinistin Fabiana Strifler, kennen, die beide in der Jazzszene aktiv waren. Gemeinsam mit Conor Cunningham an den Windinstrumenten und Gidon Carmel am Schlagzeug begannen sie, Monks Songs auf die Bühne und ins Studio zu bringen und viel Raum für Improvisation zu kreieren. Das aktuelle Album sollte bereits 2022 erscheinen. Weil aber der Vater der Musikerin Ende 2021 überraschend verstarb, wurde die Veröffentlichung um ein Jahr verschoben. In dieser Zeit der Trauer schrieb sie viele neue Songs, die demnächst als Album erscheinen sollen, denn die Stücke wurden bereits Anfang dieses Jahres im Studio aufgenommen.

Durch den Verlust ihres Vaters, den sie drei Jahre nicht mehr gesehen hatte, veränderte sich die Richtung für Jessie Monk erneut. So wichtig ihr die Musik ist und so sehr sie Berlin als Kunstmetropole liebt, zieht es sie doch wieder nach Australien. Sie bleibt eine Reisende. Denn sie vermisst das professionelle Tanzen, auch wenn sie in Berlin selbst Kurse anbietet. „Tanz ist freier, es ist die direkte Erfahrung des Körpers, und nachdem ich viel gesungen habe, ist es das Tanzen, das ich jetzt in meinem Leben verfolgen möchte. Und das geht leichter in Melbourne, wo das Musicaltheater nicht so kommerziell ist“, erläutert sie ihre Pläne. Auf Reisen wird sie dann wahrscheinlich sogar mehr denn je sein. Monk: „Ich werde jedes zweite Jahr nach Berlin und eine neue Platte aufnehmen.“

www.popup-records.de/artists/jessie-monk

    Magisches Berlin
    Jessie Monk

    Continually Becoming (popup-records, 2023)

    Links zum Anhören:

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