Exzellente Kunst muss oft erst gelebt werden, bevor sie das Licht der Welt erblicken kann. Das trifft für die Kölner Musikerin Krazy zu. Auf ihrem beeindruckenden zweiten Album explodiert ihre jahrelange Erfahrung des Lebens auf der Straße und ihr dort gereiftes Talent für das Spiel mit der Sprache. Hier erhebt eine Künstlerin die Stimme, die etwas zu sagen hat und weiß, dass es nichts zu verlieren gibt.
Text: Erik Prochnow
Am Anfang steht das Wort. Oder eine Aussage, eine Phrase, ein Reim. Ganz und gar „Krazy“ taucht sie dann in die Weiten der Sprache, ringt mit jedem Wort, jeder Zeile, folgt ihrem Rhythmus, ihrer Melodie, um zu entdecken – vor allem sich selbst. „Meist finde ich am Ende Gedanken, die ich vorher überhaupt nicht hatte“, beschreibt die Chansonnette den Prozess ihres kreativen Songschreibens.
Selten hat eine deutsche Musikerin so eindrucksvoll und scharfzüngig gedichtet. Krazy – oder Uta Titz, wie sie mit bürgerlichem Namen heißt –, jongliert mit Worten. Sie tanzt mit einer Leichtigkeit durch die Höhen der Sprache, ohne Seil und doppelten Boden. Sie gibt keine Richtung vor, sondern lässt den Hörenden Raum, selbst zu entdecken. Das Ergebnis sind intensive Lieder, die mal rockig, mal balladesk, mal swingend, aber immer voller Blues eine unwiderstehliche Sogwirkung erzielen. „Herz klopft auf Holz, / Herz schlägt an Fels, / bis er tropft – ob du willst oder nicht, / Herz bricht / mit Gewalt / durch Asphalt ans Licht“, wie sie auf ihrem aktuellen Album Seifenblasenmaschine mit rauchiger Stimme singt. Krazys Texte wühlen auf, wirbeln feste Gedankenmuster durcheinander, provozieren. Vor allem aber führt sie ihre Hörerinnen und Hörer auf sich selbst zurück. „Lieder können zwar nicht die Welt verwandeln, wie frühere Generationen glaubten, aber Lieder können eine Welle lostreten und Biografien ändern“, sagt sie mit Blick auf ihr eigenes Leben. Ohne Bob Dylans Song „Talkin’ New York“ hätte sie es bis heute so nicht gelebt.
„Auf der Straße konnte ich alles machen und mich ausprobieren“, erinnert sie sich an ihre Anfänge, nachdem sie Schule und Buchhändlerinnenlehre abgebrochen hatte. „On the road“ erlernte sie das Handwerk der Straßenmusikerin. Lebte jahrelang vom Hut in den Mund. Im Sommer schlief sie in Parks oder unter Brücken, im Winter in Abbruchhäusern oder auch mal in einem Bahnhofsschließfach. Hier erhielt sie auch ihren Punkerspitznamen. 1994 verschlug es Krazy nach Köln. „Vor allem die Stadtbeschreibungen der Band The Piano Has Been Drinking hatten es mir angetan“, nennt sie als Grund. Laut, bunt, dreckig, eine Halbwelt, in der gesoffen und gebrüllt wird, so hatte sie es sich vorgestellt und so fand sie es vor. Zudem zogen sie ihre Jugendidole der Independentband Rausch um Peter Sarach in die Stadt am Dom, in der sie bis heute lebt und wirkt.
In Köln teilte sich Krazy dann mit vier Obdachlosen eine Straßenwohngemeinschaft. „Da hatte ich wenigstens mal eine Meldeadresse“, sagt die unkonventionelle Künstlerin. Rund fünfzehn Jahre war sie aus dieser Straßenwelt heraus aktiv, verfasste nicht nur ihren autobiografischen Roman Stella Runaway, sondern entdeckte auch die Schauspielerei für sich. Aktuell spielt sie in der Produktion Polis – Die Stimmen der Stadt des Kölner A.TONAL.THEATERS sogar sich selbst als Straßenmusikerin. Denn der Welt von unten, wie sie es selbst nennt, verdankt sie, dass sie ihre eigene Form der Dichtung und des Songschreibens entwickeln konnte.
Der Wandel zu mehr Professionalität begann, als sie 2005 Peter Sarach vor einem Konzert mit ein paar Joints im Gepäck ansprach. Der Mitbegründer auch des Rausch-Ablegers Cowboys on Dope nahm Krazy quasi in die Lehre. „Ich entdeckte, dass meine Stärke darin liegt, deutsche Texte zu schreiben“, sagt die vielseitige Künstlerin, die bis dahin vor allem Songs auf Englisch verfasst hatte. Seitdem reift ihre Musik wie guter Wein. Was möglicherweise auch mit ihrem aktuellen Produzenten Danny Dziuk zu tun hat. Der profilierte Berliner Musiker ist nicht nur bekannt für sein eigenes Projekt Dziuks Küche, er schreibt auch Songs für Kolleginnen und Kollegen wie Stoppok oder Annett Lousian und komponiert Filmmusik etwa für den Tatort. Dank seiner Unterstützung präsentiert Krazy zehn Jahre nach ihrem Debüt nun mit fast fünfzig ihr zweites Album.
Seifenblasenmaschine ist dabei alles andere als bunte Luftblasen oder verrückt. Im Gegenteil, Krazy wurde mit ihrem Werk gerade für den Endausscheid des Liedermacherpreises Hoyschrecke nominiert. Die bodenständige Künstlerin legt in ihren Songs schonungslos offen, wie zerrissen und voller Selbstzweifel wir Menschen leben. So besingt sie in „Krieg“ die Abgründe und den Kampf alltäglicher zwischenmenschlicher Beziehungen, um gleich darauf in „Herz klopf“ mit unseren Sehnsüchten nach Nähe zu antworten. Der Titelsong nimmt auf ironische Weise das Showbusiness aufs Korn, während „Achtundachtzig“ eine tiefsinnige Auseinandersetzung mit allgegenwärtigen Vorurteilen ist. In „Weg“ fragt sich Krazy schließlich, was wohl nach ihrem Tod passieren würde. In dem bewegenden Song bringt sie die Hoffnung zum Ausdruck, dass Freunde und Feinde ihr dann mit einem Lächeln auf den Lippen Respekt zollen. „Und ihr feiert, dass ihr noch seid, / Und dass ich mal war. / Und ihr dürft mich zitieren: / ‚Trost gibt es nicht – aber Schnaps ist noch da.‘“ Denn wenn Krazy eins mit Sicherheit in ihrem Leben erfahren hat, dann, dass man zu einem intensiven Leben nicht viel braucht. Wenn es aber aus ihrer Sicht etwas bedarf, um glücklich zu sein, dann ist das zuallererst echte Gemeinschaft – und natürlich immer auch ein Wort.
Aktuelles Album:
Seifenblasenmaschine (Timezone Records, 2020)
Hammer Musikerin mit Erfahrungen , die kaum jemand hat, die sie schonungslos , aber immer perfekt auf die Bühne bringt, das ist und kann auch die Straße sein, oder ein Festival, nichts was sie singt scheint aus der Konserve, ist erlebt und das spürt man, war, selbst Musiker, tief beeindruckt, da so vieles aus meinem Gefühl und Kopf sich identifizieren konnte, obwohl es ihr Leben ist von dem sie auch berichtet, so könnte es teilweise meins sein. Die Qualität ist absolut hoch und es macht „Spaß“
? zuzuhören, mitzuwippen und mit Spaß ist nicht nur Happy live gemeint sondern das Gefühl hier singt und spielt jemand, aus dem Herzen und nicht aus der Konserve, oder covert einfach nur, selbst dass hat/hätte einen eigenen Stil und wäre somit etwas eigenes