Musiktherapie und Musikausbildung – Zwei Fachleute im Gespräch (2)

Die Generalsekretärin des Deutschen Musikrats Antje Valentin

23. März 2025

Lesezeit: 5 Minute(n)

Das Thema Gesundheit in der Musik ist für Antje Valentin eine Herzensangelegenheit. Die seit März 2024 amtierende Generalsekretärin des Deutschen Musikrats hat es in ihrem neuen Amt daher auch zu einer Priorität erklärt. Zuvor war die studierte Pianistin und Pädagogin dreizehn Jahre lang als Direktorin der Landesakademie in Nordrhein-Westfalen tätig. Im Gespräch mit dem folker fordert sie ein radikales Umdenken in der Musikausbildung.

Interview: Erik Prochnow

Welchen Stellenwert hat das Thema Gesundheit unter Musikschaffenden?

Da gibt es viel Nachholbedarf. Laut Umfragen beginnen 25 Prozent der Erstsemester an den Musikhochschulen ihr Studium mit Schmerzen, die aus dem Instrumentalspiel resultieren. Andere Studien zeigen, dass 80 Prozent der Musikschaffenden in ihrer Karriere mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen haben, körperlich wie psychisch. Diese Zahlen sind erschreckend.

Woran liegt das?

Musikberufe sind sehr leistungsorientiert. Und überall wo Leistung ganz oben auf der Werteskala steht – wie in Chefetagen, dem Sport oder eben in der Musik –, versucht man, Krankheiten so lange wie möglich zu ignorieren. Irgendwann geht es aber dann doch oft nicht mehr, etwa wenn man mit einer fokalen Dystonie zu kämpfen hat. Dabei handelt es sich um nicht beeinflussbare Muskelkontraktionen, auch „Musikerkrampf“ genannt, die zu den häufigsten neuronalen Erkrankungen zählen.

„Die Musikausbildung muss sich ändern“

Wodurch?

Den sozialen Zusammenhalt. Menschen, die sich sonst nie treffen würden, kommen über Musik zusammen und entwickeln neue Fähigkeiten. Ob es das sozialpädagogisch geführte Jugendangebot etwa in Form eines Bandprobenkellers ist, die musikalische Sprachentwicklung in den Kitas oder auch das integrative Angebot für Geflüchtete: Überall ist die Musik wichtig, weil der Mensch in seiner Gesamtheit wahrgenommen wird. Wenn nur gelernt wird, was beruflich verwertbar ist, wenn Menschen nur in Teilaspekten angesprochen werden und so arbeiten, werden sie aus meiner Sicht schneller krank.

Gibt es denn dafür genug musikpädagogische Fachkräfte?

Nein. Die Nachfrage nach musikpädagogischen Studiengängen, auch für Instrumental- und Vokallehrkräfte, ist rückläufig. Deshalb hat der Deutsche Musikrat gerade eine Kampagne in den sozialen Medien gestartet, um junge Menschen zu überzeugen, dass Musikpädagogik und auch die Musiktherapie spannende und erfüllende Berufe sind. Der Titel lautet: „Zukunft braucht Musik. Zukunft braucht Dich.“ Um zu verstehen, wie wichtig Musik für die Gesundheit und die Gesellschaft ist, muss man sie selbst erleben, selbst singen oder ein Instrument spielen. Deshalb müssen wir rausgehen und mit Menschen Musik machen.

www.musikrat.de/musikpolitik/musik-und-gesundheit

Antje Valentin

Foto: Maxim Green

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