Nachhaltige Gitarren

Gute Ansätze, noch geringe Nachfrage

30. Juni 2023

Lesezeit: 4 Minute(n)

Musik hat eine ökologische Seite: Wie nachhaltig sind beispielsweise Gitarren gefertigt und inwieweit wird dabei Arten- und Klimaschutz berücksichtigt? Die Perspektive betrifft die, die die Instrumente bauen, wie auch die Musikschaffenden als deren Kundinnen und Kunden. Wie reagieren Gitarrenbauer oder der Instrumentenhandel auf Nachhaltigkeit, und stößt dies auf Nachfrage?
Text: Udo Hinz

Die heimischen Gitarrenbauer und -bauerinnen beschäftigen sich meist seit Jahren mit nachhaltigem Instrumentenbau. Die Intention des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES), das unter anderem den Schutz tropischer Bäume regelt und die Nutzung bestimmter Holzarten verbietet, ist in vielen Betriebe verstanden. „Für mich ist Gitarrenbau schon immer nachhaltig, und so habe ich das von Anfang an betrieben“, sagt Gitarrenbauer Christian Stoll aus Waldems-Esch in Südhessen. Werner Kozlik, Gitarrenbauer der Munich Guitar Company mit der Eigenmarke Stevens: „Wir verwenden europäische Hölzer wie Olive, Esche, Eiche und diverse Obsthölzer, vor allem für den Korpus. Die Deckenhölzer sind ja meistens Nadelhölzer, und hier gibt es genügend Auswahl aus dem Alpengebiet. Für die harten Hölzer, etwa für Griffbretter, haben wir gute Erfahrungen mit Mooreiche gemacht. Ebenso ist hier heimische Robinie geeignet.“ Der Münchener merkt kritisch an: „Die Hölzer müssen oft jahrelang vor der Verarbeitung gelagert werden, es gibt meist einen hohen Lagerbestand an inzwischen geschützten und tropischen Hölzern, der erst abgebaut werden muss.“

Ein weiteres Thema: die Lieferkette der Hölzer und Bestandteile. „Wir kaufen nur bei Lieferanten, die diese Lieferkette gewährleisten können“, so Martin Seeliger, Gründer von Lakewood Guitars im hessischen Buseck. „Regionale Hölzer sind nicht per se nachhaltig, sondern nur dann, wenn der Ursprung bekannt ist und der Lieferant nachweisen kann, dass für die Entnahme aus der Natur gleichwertig gepflanzt und bewirtschaftet wird.“ Einen eigenen Weg geht die Firma Hanika Gitarren im fränkischen Baiersdorf. Das Team um Zupfinstrumentenmacher-Meister Armin Hanika entwickelte zusammen mit der TU Dresden tropenholzfreie „native“ Konzertgitarren aus thermomodifizierten heimischen Hölzern. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie prämierte das Projekt 2019 als „ZIM Handwerksprojekt des Jahres“.

„Ich recherchiere selber, wie sauber mein Holz ist“ Christian Stoll

FSC- oder PEFC-Zertifikate weisen nach, dass Holz aus nachhaltigem Anbau stammt. „Die Zertifizierung unserer Konzertgitarren ist völlig unwichtig, da der Musiker nicht darauf reflektiert“, so Marion Hanika. „Viel wichtiger ist das Umsetzen der Maßnahmen. Als schlechtes Beispiel gibt es beispielsweise bei Großhandelsketten für unter 100 US-Dollar zertifizierte Instrumente – doch die Spielbarkeit ist fragwürdig und die Verwendungsdauer beschränkt.“ Ihr Unternehmen achte beim Bau der Instrumente auf lebenslange Nutzung, die Weitergabe in die nächste Generation und Reparaturfreundlichkeit. Für Martin Seeliger tragen die Zertifizierungen dazu bei, Lieferketten offenzulegen. Doch in der Realität könne bislang nur ein Teil der Hölzer mit einem dieser Siegel erworben werden. Skeptisch ist Christian Stoll: „Ich verlasse mich ungern auf solche Zertifikate, weil in diesem Bereich gelogen und betrogen wird – ich recherchiere selber, wie sauber mein Holz ist.“

Auf Nachhaltigkeit reagierte auch Händler Thomann, Europas größtes Musikhaus aus dem oberfränkischen Burgebrach-Treppendorf. „Nach Bekanntwerden des Artenschutzübereinkommens haben wir begonnen, die bedrohten Holzarten aus Eigenprodukten zu entfernen und durch alternative Materialien zu ersetzen. Hersteller dürfen fast ausschließlich zertifiziertes Holz verwenden. Wir haben nach Ersatzhölzern gesucht und beispielsweise nahezu komplett auf Palisandergriffbretter verzichtet“, so Kevin Rodler, Leiter Qualitätsmanagement. „Wir bemühen uns, Instrumentenhersteller zu sensibilisieren, auf nachhaltige Materialien zu wechseln. Die meisten Lieferketten sind vom Wald bis hin zum Hersteller bereits zertifiziert.“ Thomann beabsichtigt sich ebenfalls zertifizieren zu lassen, um den Kreis zu schließen.

Klimaschutz und CO2-Reduzierung setzen die Betriebe ganz unterschiedlich um. „Die Herstellung von akustischen Gitarren ist energielastig: Räume müssen beheizt und konditioniert, Hölzer über Jahre klimatisch behandelt werden. Zur Herstellung von Gitarren werden Maschinen eingesetzt. Das lässt sich nicht prinzipiell ändern; es ist aber möglich, Energie einzusparen“, meint Martin Seelinger von Lakewood. „Das geschieht bei uns mit einem sehr effizienten Heizsystem, LED-Beleuchtung und Fotovoltaik, die uns dreißig Prozent des Stroms liefert. Der restliche Strom kommt aus regenerativen Quellen.“ Hanika Gitarren setzt ebenfalls auf Ökostrom, das Heizen mit Holzabfällen, Elektroauto oder LED-Beleuchtung. Christian Stoll betont traditionelle Arbeitsmethoden. „Viele Kollegen fixieren beispielsweise die Randeinlagen beim Verleimen mit Unmengen Klebeband, das danach weggeworfen wird. Traditionell benutzt man eine Hanfschnur oder Wäscheleine, die immer wieder verwendet wird.“

Fertigung einer Gitarre für eine lebenslange Nutzung: Einsetzen der Eckklötzchen

Foto: Hanika Gitarren

Gitarrenbauer und Händler registrieren aktuell noch eine zu geringe Nachfrage nach nachhaltigen Instrumenten. „Für unsere Kunden ist das Thema Nachhaltigkeit immer noch nachrangig im Verhältnis zu klanglichen Qualitäten und optischen Gesichtspunkten“, so Marion Hanika. „Heimische Hölzer sind leider noch vom Image her schlechter belegt als Tropenhölzer, der Wandel vollzieht sich nur langsam.“ Christian Stoll: „Natürlich gibt es Menschen, denen die Argumente der Nachhaltigkeit wichtig sind, ich kann aber nicht feststellen, dass die in letzter Zeit mehr geworden seien.“ Werner Kozlik schätzt, dass zwanzig Prozent seiner Kundinnen und Kunden Instrumente aus zertifizierten, aber vor allem aus heimischen Hölzern bestellen. Kevin Rodler bringt es auf den Punkt: „Der Druck von Kundenseite ist gering. Die Musikerinnen und Musiker entscheiden mit ihrem Geldbeutel und ihrer Stimme, wie ernsthaft die Instrumentenhersteller das Thema nehmen und sich um Alternativen bemühen.“

www.guitars.de www.hanika.de www.lakewood-guitars.de www.stollguitars.de www.thomann.de

 

Videotipp:

ZDF-Doku „Neue Töne – Die Musikbranche wird nachhaltig“, u. a. mit einem Beitrag über den Gitarrenbauer Hanika: www.zdf.de/gesellschaft/plan-b/plan-b-neue-toene-100.html

Aufmacherfoto:

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Werbung

L