Mund. Art. Musik.

Aus der Quelle schöpfen

17. September 2023

Lesezeit: 2 Minute(n)

Es ist nicht zu leugnen: Seit einigen Jahrzehnten befinden sich Dialekte, Mundarten und Regionalsprachen auf dem Rückzug – auch wenn es resistentere, medial besser vertretene und positiver besetzte Beispiele geben mag. In fast allen Regionen Deutschlands weichen Dialekte als Umgangssprache dem Hochdeutschen, sind mancherorts sogar vom Aussterben bedroht. Dem konnte selbst die wissenschaftliche Erkenntnis, nach der Mehrsprachigkeit auch im Zusammenhang von Hochsprache und Dialekt den Intellekt fördert, keinen wirklichen Einhalt gebieten.
Immerhin: Das Ansehen regionaler Ausdrucksweisen ist gestiegen, und obwohl die Zahl aktiv Sprechender sinkt, wächst augenscheinlich der Anteil an Musikern und Musikerinnen, die Interesse an Mundartliedgut zeigen – sei es historischem oder selbst verfasstem. Zuletzt war das im Zuge des Folkrevivals der Siebziger und Achtziger verstärkt der Fall, als Bands und Liedermachende die Sprache der kleinen Leute salonfähig machten. Der 2016 vom Verband Profolk herausgebrachte Sampler Auf’s Maul geschaut – Regionalsprachen und Dialekte im deutschen Folk, ist ein Spiegel der aktuellen Entwicklung.

Nicht nur in Bayern, Köln oder Norddeutschland, wo Dialektales traditionell eine wichtige Rolle spielt, sondern auch in anderen Regionen kehren also wieder mehr Musikschaffende gewissermaßen an die Quelle zurück und singen in ihren Herkunftsidiomen. Ganz zu schweigen von Österreich oder der Schweiz, wo die Abgrenzung zum Hochdeutschen auch eine politische Komponente hat. Wobei es nicht mehr so häufig in den vom folker präsentierten Genres geschieht. Insbesondere Pop, Rock und Schlager florieren.

Aber welchen Stellenwert hat Mundartmusik wirklich, wenn sie meist nur regional gehört und verstanden wird? Welchen Beitrag kann sie zum Überleben regionaler Ausdrucksweisen, Bräuche und Kulturen leisten? Ist das Interesse an ihr nicht eher akademisch? Und haben wir es hier vor allem mit einer Amateurszene zu tun, oder gibt es zunehmend professionelle Vertreterinnen und Vertreter dieser Zunft?

Nicht auf alle diese Fragen mag es klare oder erschöpfende Antworten geben, dennoch liefern die Artikel dieser Ausgabe einen vertiefenden Überblick, wenn etwa vier Fachkundige über die aktuelle Lage der Mundartmusik in den einzelnen Teilen Deutschlands berichten – die wir (linguistisch unzulässig, aber in der Darstellung einfacher) nach Himmelsrichtungen aufgeteilt haben: Norden, Osten, Süden und Westen. Zudem geben wir spezifischere Einblicke in die musikalische Bedeutung von Regionalsprachen in Rheinhessen, Nordfriesland und der Schweiz. Mit dem Weiherer schauen wir uns einen Liedermacher aus Niederbayern genauer an, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Wiebke Colmorgen und Hardy Kayser repräsentieren den plattdeutschen Sprachraum. Das Duo Unfolkkommen aus Dresden verschafft dem Sächsischen neues musikalisches Gehör. Die aus dem Salzkammergut stammende Österreicherin Sibylle Kefer erzählt, wie es kommt, dass sie in ihrer Heimatsprache Lieder schreibt und singt. Und wir stellen zwei besondere Neuveröffentlichungen aus dem Dialektbereich vor – vom Duo Trummer & Stoller aus der Schweiz sowie von dem Oberbayern Erwin Rehling.

Aufmacherfoto:

1 Kommentar

  1. Liebes Folker-Team,
    auf dieses Heft mit dem Thema: „Mund.Art.Musik.“ habe ich mich vorab schon sehr gefreut. Ganz viel deutsche Szene!
    Gehofft habe ich dabei auf eingehende Betrachtungen oder Beleuchtungen der deutschen Musikszene, was ihre „Mundart“, also die lokalen sprachlichen Eigenarten und Färbungen angeht, auf Beiträge, die Lust auf diese besondere Form der Sprache machen.
    Gern hätte ich noch viel, viel mehr von jungen und alten Musikern gelesen, warum sie Mundart-Musik machen und wie sie dazu gekommen sind.

    Das Thema ist groß genug um 4 Folker-Hefte zu füllen.

    Als „Quittje“ -wenn auch schon über 25 Jähre im Norden wohnhaft. habe ich mich besonders über die tollen Beiträge zur Nordszene von Imke Staats und Jens-Peter Müller gefreut! Danke dafür!
    Leider vergisst Gerd Brandt bei seiner Schilderung der frühen Phase des Plattrevivals, die wichtigsten Interpreten wie Knut Kiesewetter, Fiede Kay, Godewind aber auch Achim Reichel und Hannes Wader.
    Zu Kiesewetter mag man stehen wie man will aber er hat mit den ab 1976 erschienenen „Fresenhof“-Produktionen erstmals, deutschlandweite Begeisterung für die „Mundart“ der norddeutschen Länder ausgelöst. Mit zur damaligen Zeit weit über 500.000 verkauften Langspielplatten war er der Auslöser für eine Welle, nein Flut, die plattdüütsch in ganz Deutschland bekannt gemacht hat.
    Nach der Flut kam dann aber auch bald Ebbe!
    Das hier im Norden von offizieller Seite nur wenig die Tradition gepflegt wird, hatte 1976 schon Kiesewetter erkannt, denn Politik und große Kreise der Kulturszene waren sich lange zu fein für „platt“.
    Niederdeutsch wird in den Nordländern erst seit 2010 als Schulfach unterrichtet, nachdem die Sprache vom Aussterben bedroht war!
    Natürlich spielt inzwischen der öff-rechtl. NDR mit vier Landesfunkhäusern, als größter möglicher Multiplikator auch mal Plattmusik und es gibt neben „Hör mal ’n beten to“ auch weitere Sendeplätze, aber gelebt und mit breitem Bewußtsein in die Bevölkerung getragen, wird „plattdüütsch“ von den Sendern nicht.
    Man kann nur neidvoll in den Süden unseres Landes blicken, wo Mundart, durchgängig schon lange gehegt, gepflegt und gelebt wird!

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