Mit Margareth Menezes kam eine der populärsten Sängerinnen Brasiliens nach Frankfurt am Main. Inzwischen ist ein Auftritt eines brasilianischen Stars ihres Ranges hierzulande fast schon eine Sensation. Mit ihr stand aber auch die erste Kulturministerin Brasiliens auf der Bühne – nach sechs Jahren, in denen das Amt abgeschafft war.
Text und Fotos: Hans-Jürgen Lenhart
Menezes steht für Axé Music, die sich in den Achtzigerjahren aus dem Sambareggae entwickelte, allerdings vielfältiger ist und bei Menezes Elemente aus Pop oder Electronica enthält. In ihren Texten betont sie das reiche kulturelle Erbe der Schwarzen und die spirituellen Traditionen, wobei oft altägyptische Mythen zitiert werden. Menezes gehörte zu den Ersten, die diese Musik aus dem Straßenkarneval in Bahia auf die Konzertbühnen brachte.
Eine Karnevalssängerin als Kulturministerin? Was in Deutschland umgehend Kopfschütteln erzeugen würde, ist für Brasilien genau jetzt vielleicht die richtige Wahl. Menezes ist schwarz, eine Frau, hat lange Erfahrung in der Kulturszene, ist parteilos und weiß Menschen zu begeistern. Insofern ist sie der passende Gegenpol zur systemzerstörerischen Kulturverachtung in der Zeit Jair Bolsonaros als Präsident des Landes. Allein ihre Tour symbolisierte die Rückkehr der kulturell wichtigsten Nation Lateinamerikas auf die Konzertbühnen Europas.
Wie als hätten alle auf diesen Moment schon viel zu lange gewartet, wurde bei Menezes’ Open-Air-Auftritt bereits nach wenigen Sekunden die Tanzfläche gestürmt. Doch vermittelte sie gleich zu Beginn, dass sie nicht als reine Sambareggaesängerin angesehen werden möchte, sondern spielte einige ihrer poppigen Stücke. Ihre Vielseitigkeit vermittelte sie auch mit Funkrhythmen, Rockballaden oder brasilianischen Klassikern wie „Tempo Rei“ von Gilberto Gil. Nicht unerwähnt bleiben sollte gerade bei dieser Musik die Qualität der Trommler. Gerade mal zwei Percussionisten mit ihren knalligen Trommeln genügten, sich einen ganzen Afro Bloco, die riesigen Trommlergruppen im Karneval von Bahia vorzustellen. Und allein, wenn man dem Drummer bei seinen polyrhythmischen Einlagen und Intros zu einigen Songs zuhörte, konnte man ahnen, wie viele Schlagzeuger von Weltklasse sich in brasilianischen Begleitbands tummeln.
Die dynamische Steigerung kam mit einem Baião, den sie nur mit dem Schlagzeuger und dem Gitarristen begann und dabei dann weltrekordverdächtig immer schneller wurde. Dies leitete Margareth Menezes bekannte Hits ein, die der zahlreich anwesende brasilianische Teil des Publikums umgehend mitsang. Und schließlich, wie das bei brasilianischen Konzerten oft üblich ist, stürmten die Fans bei ihrem Karnevalshit „Dandalunda“ von 2003 die Bühne zum Mittanzen. Die ungebremste Feierlaune Brasiliens eben, und da merkte man: Das Land ist zurück. Der Versuch der Evangelikalen in Brasilien, die kulturelle Identität des afrobrasilianischen Teils der Bevölkerung zu zerstören, scheint gescheitert.
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