Ein milder Winterabend in der beschaulichen Altstadt Bad Kreuznachs. Auf dem Kopfsteinpflaster im gelblichen Schimmer der Straßenlaternen fühlt man sich Jahrzehnte in die Vergangenheit versetzt. Warm und einladend fällt der Schein des Casa Una durch die großen Fensterscheiben an der Hausfront. Ein Herr in Schiebermütze heißt lächelnd am Eingang willkommen.
Text und Fotos: Stefan Backes
Eine halbe Stunde vor dem Konzert sind alle sechzig Plätze belegt. Ausverkauft. Der verwinkelte Altbau besticht durch den Charme seiner unkonventionellen Aufteilung und geschmackvollen Einrichtung. Bücher. Schellackplatten. Kunst an der Wand. Warme Farben. Holzboden. Eine Theke im Hintergrund. Gedämpftes Licht verleiht dem Raum eine gemütliche, entspannte Wohnzimmeratmosphäre.
Als Bühne dient eine Nische unter einer Glas-Metall-Konstruktion. Dort aufgestellt ein E-Piano, Gitarre, Banjo, Melodica, diverse Kleininstrumente, Mini-Hi-Hat ein Koffer mit Fußpedal. Den wird Lucie Mackert im Konzert gleichzeitig als Sitzgelegenheit und Bassdrum verwenden – es ist effektiver beim Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln, wenn man das Gepäck in Instrumentarium verwandeln kann.
Dann, kurz nach acht, das Duo Mackefisch betritt unter Beifall die „Bühne“, stellt sich als Zwei-Personen-Orchester vor und erzählt erst einmal, dass sie mit achtzig Kilo Reisegepäck angereist sind, gegenwartskonform nachhaltig und CO2-arm mit der Bahn. Wie es überhaupt ein wortreicher Abend wird. Lucie Mackert und Peter Fischer – seit 2014 privat, seit 2019 beruflich ein Paar – sind bekannt für rasante Wortakrobatik. Mehrfach preisgekrönt, bewegen sie sich spielerisch zwischen Musikcomedy und -kabarett und nehmen dabei fast jedes Genre (selbst-)ironisch aufs Korn – von Chanson und Liedermaching über Bluesgefärbtes, Swing und Jazz bis zu Klassischem, Hammondorgelklängen und spacigen Atari-Sounds.
Der Titel ihres aktuellen Programms ist identisch mit dem ihres letzten Albums, „Harmoniedergang“, der augenzwinkernd das wortspielerische Balancieren zwischen heiler Welt und Weltuntergang in ihren Texten zusammenfasst. Mackefisch singen mit versiertem Harmoniegesang unter anderem vom Netflix-Nebeneffekt der ständigen Ablenkung von sinnvolleren Dingen („Netflix“), von den deprimierenden Seiten des Tagebuchschreibens („Joggen“) oder den plötzlichen interessanten Einblicken in die Privatsphäre der Menschen während der Coronalockdowns („Wohnzimmer“).
Sowohl bei „Oxytocin“, in dem es darum geht, wie Meerschweinchen dabei helfen können, menschliche Einsamkeit zu bewältigen, als auch bei der letzten Zugabe „Wolf“ bringen sie das Publikum sogar dazu, Tiergeräusche zu imitieren. Virtuos auf ihren Instrumenten – Fischer konstant am Piano, Mackert im stetigen Wechsel an allem anderen –, machen sie dazu bisweilen wild-verrückte Gute-Laune-Musik mit Schmunzelfaktor, der die Zuhörenden gebannt lauschen und an den richtigen Stellen lachen lässt.
Die Ansagen haben teilweise Zwiegesprächscharakter – Mackert fragt Fischer, Fischer Mackert, sie erzählt, er führt aus, ergänzt, widerspricht, oder sie foppen sich gegenseitig. Sicherlich einstudiert und vielfach bei Auftritten durchgespielt, doch im lockeren Plauderton, der immer wieder Hintergründiges durchscheinen lässt und das Publikum miteinbezieht – etwa auch bei der Frage, ob schon mal jemand im Weltraum war, die nie jemand mit „Ja“ beantworte, wie Fischer bedauert, bevor er „Kartoffel vom Mars“ anstimmt.
„Brot“ ist nicht das einzige Lied, in dem die beiden ihr eigenes Kleinkünstlerdasein selbstironisch auf die Schippe nehmen. Es zeigt aber auch Galgenhumor, ist es doch tatsächlich ein hartes Brot, sich in dem Bereich über Wasser zu halten.
Mit „Entschieden“ über den Umstand, dass ein Mensch am Tag um die 20.000 Entscheidungen zu fällen habe, geht es in den Schlussspurt, bevor im letzten Song das Thema „Generationengerechtigkeit“ auf den Tisch kommt: Lohnt es sich, für potenziell verwöhnte Enkel die Erde zu retten, wenn die das womöglich gar nicht würdigen? Das Publikum erklatscht sich zwei Zugaben, von denen die erste („Zufrieden“) sowohl musikalisch als auch im Harmoniegesang an die Ärzte erinnert. Dann ist Schluss, und Lucie Mackert und Peter Fischer ernten verdient langanhaltenden Applaus.
Seit 2021 betreiben die gebürtige Eifelerin Alexa Christ und der Radtourenorganisator Rainer Schröder – der Mann mit Schiebermütze – das Casa Una. Dass sie es in Bad Kreuznach eröffneten, war eher Zufall. Eigentlich hatten sie ihren Lebensmittelpunkt in Köln, an der Nahe jedoch ließ sich ihr Traum einer eigenen Kleinkunstbühne besser verwirklichen. „Köln ist kulturell übersättigt“, erklärt (Reise-)Journalistin, Übersetzerin, Moderatorin und Rezitatorin Christ. In Bad Kreuznach fanden sie die passende Immobilie und ließen sich auch von Stimmen nicht beirren, die davon abrieten, es in der eher provinziellen Nahestadt mit Kleinkunst zu versuchen.
Und sie behielten recht: Von Anfang hat es geklappt und sind die monatlich bis zu sechs Veranstaltungen von Oktober bis April in der Regel ausverkauft (im Sommer wird pausiert). Die beiden sind stolz darauf, teils auch große Namen aus dem Kabarettbereich begrüßen zu können, die sonst vor größeren Häusern spielen, im Casa Una aber die Nähe zum Publikum und die Möglichkeit schätzen, nach dem Auftritt ins Gespräch zu kommen.
Weitere folker-relevante Künstlerinnen und Künstler sind schon im Casa Una aufgetreten, vom bayerischen Liedermacher Michael Fitz über die Balkan-Beat- und Gypsy-Swing-Formation Absinto Orkestra bis zur Kölner Folkband Bedlam, in der Alexa Christ selbst Mitglied ist. Für den Herbst haben sich unter anderem Singer/Songwriterin Anne Haigis und das Gypsy-Jazz-Quartett Mainouche angekündigt.
www.casa-una-in-bad-kreuznach.de
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