MASA

„Your time is now“ – Kultur als Softpower, Kulturpalast, Abidjan, Elfenbeinküste, 13.-21.4.2024

24. Mai 2024

Lesezeit: 4 Minute(n)

Im April fand in Abdijan zum dreizehnten Mal der „Marché des arts du spectacle africain“, MASA, statt. Die Wirtschaftsmetropole der Elfenbeinküste bestätigt ihren Platz als bedeutender Treff- und Schnittpunkt für Kreationen aus Afrika.
Text und Fotos: Martina Zimmermann

In Europa ist es kaum vorstellbar, dass ein deutscher Sänger während seines Konzertes fragt: „Sind Italiener da? Franzosen? Dänen?“ Und dass viele Hände unter dem tobenden Applaus des Publikums in die Höhe schnellen. In Abidjan passiert das mit Fragen nach Kamerunern, Senegalesen, Nigerianern … Der Senegalese Diyane Adams auf der Newcomerbühne „Street Art“ ruft zwischen fast allen melodiösen und mit meisterhafter Stimme vorgetragenen Songs: „Seid stolz, Afrikaner zu sein!“ Er begann seine Karriere in Senegal, wurde über die frankofone TV-Sendung The Voice Afrique in ganz Westafrika bekannt. Nun singt er als einer der tausend Künstler und Künstlerinnen des offiziellen Programms in Abidjan vor rund 120 Programmverantwortlichen von Festivals, Konzert- oder Theatersälen vom ganzen afrikanischen Kontinent sowie aus Europa, Amerika und Asien.

« Mulato » alias Jean-Magloire Bimai Epouck

 

„Lasst uns wir selbst bleiben“, sagt der Kongolese Fredy Massamba zu Beginn seines Konzerts. Sein Groove und seine Balladen, eine aktuelle Musik mit Rumba, Funk und traditionellen Rhythmen, lösen Begeisterung aus. Massambas neues Album Trancestral wird in Paris als „RFI-Talent“ beworben – also Talent auf Radio France International, dem Auslandssender von Radio France. Auf der Open-Air-Bühne des Kulturpalasts kommen auch Tuaregmusik mit Kader Tarhanine aus Mali an oder die Stars aus Mozambik, Banda Kakana. Traditionelle Gesänge der „Massai Vocals“ finden beim ivorischen Publikum ihre Fans, die jungen Leute tanzen gleich mit auf die monotone Massai-Art, gehen im Takt der Gesänge leicht in die Knie und wieder hoch. Die täglichen einheimischen „Coupé-Décalé“-Tanzwettbewerbe sind mit schnellen Schritten und rapiden Hüftbewegungen wesentlich spektakulärer.

Diplomverleihung für Ausbildungen während des MASA mit Schweizer Botschafterin Anne Lugon-Mouli

 

Der Kulturpalast in Abidjan ist ein toller Kulturtempel, 1999 als Geschenk Chinas erbaut. Die zahlreichen Säle und Bühnen fassen insgesamt bis zu 9.400 Zuschauende. Neben Musik stehen auf dem offiziellen Programm auch Theater, Märchen, Slam, Humor sowie Tanz und Zirkus. Der Circus Baobab aus Guinea begeistert mit akrobatischen Vorführungen, die gleichzeitig gesellschaftliche Probleme benennen, wenn die Akrobatinnen etwa schwere Steine auf dem Kopf tragen und die Männer der Truppe immer mehr aufladen. Bis sich eine wehrt und die Frauen die Jungs unter dem tobenden Applaus des Publikums verhauen. Beeindruckend ist nicht nur die künstlerische Qualität der Shows, auch die Reaktionen der Schüler und Studentinnen, die von morgens bis Mitternacht im Publikum präsent sind. Sie stehen Schlange vor den Sälen und klatschen begeistert, bleiben bis zum Ende dabei. „Das zeigt, dass die Jugend der Elfenbeinküste – anders als das Klischee – nicht nur leichte Unterhaltung will“, sagt Generaldirektor Abdramane Kamate in einer ersten Bilanz. Das Organisationsteam des MASA hat Schulen und Universitäten Busse zum Kulturpalast zur Verfügung gestellt. Kamate freut sich: „Sie lernen auf dem MASA so viel wie im Unterricht in ihren Klassen!“

Auf den professionellen Treffen, Konferenzen und Podiumsdiskussionen geht es unter anderem um den Export afrikanischer Kreationen. Länder wie Brasilien, Mexiko, Kolumbien und Venezuela wollen hier die Süd-Süd-Beziehungen stärken. Die Vertreterinnen aus New York und Kanada unterstreichen eher die Schwierigkeiten für viele Künstler aus Afrika, die französische Weltmusikorganisation Zone Franche protestiert gegen Visaprobleme für afrikanische Kulturschaffende. „Your time is now!“, ermutigt Monique Martin, New Yorker Agentin vieler afrikanischer Stars.

Unter den kulturellen Unternehmern auf dem Podium ist auch ein tunesischer Medienspezialist, der vom großen Interesse seiner Landsleute für das heimische Kulturerbe berichtet. Eine südafrikanische Museumsdirektorin erzählt, wie sie afrikanische Institutionen den örtlichen Bedürfnissen anpasst und aus historischen Gebäuden der Kolonialzeit zeitgenössische Institutionen macht, in denen Kreative ihre Werke zeigen.

Massai-Vocals

 

Unter den professionellen Teilnehmenden sind viele Künstler und Künstlerinnen auf der Suche nach Aufträgen. Jean-Magloire Bimai Epouck ist in der Elfenbeinküste als Tänzer und Choreograf aus dem legendären Dorf Ky, einer Künstlergemeinschaft, bekannt. „Mulato“, so sein Künstlername, ist inzwischen zum Spezialisten des Karnevals „Made in Africa“ geworden. „Bei einer Tournee in Dubai mussten unsere Tänzerinnen Kleidung tragen, die den Körper bedeckt“, erzählt der 54-Jährige. „Traditionell tragen unsere Frauen aber einen Lendenschurz und tätowieren ihre Haut.“ Aus der Not entstand sein Stil: Er entwarf Reifenröcke und Oberteile mit Schulterriemen, verwendete afrikanische Besen und Blumen zur Dekoration. Daraus entstanden farbenprächtige Paraden. In Rio in Brasilien wurde er definitiv zum Fan des Karneval. „Karneval kommt vom Tanz, vereint aber alle künstlerischen Disziplinen, denn dazu gehören Schminke, Frisuren und Kostüme.“ Auf dem MASA fand „Mulato“ neue Kundschaft: Ruanda, Ehrengast dieser Ausgabe, habe ihn eingeladen. Er habe Kontakte nach Tunis, Ouagadougou, Cotonou, Jaunde geknüpft. Zahlreiche afrikanische Staaten wollen ihren Karneval. Marokko könnte ihn für den nächsten Afrikacup engagieren, und das Ecofest-Festival der CEDEAO für die erste Ausgabe Ende des Jahres in der Elfenbeinküste. „Da werde ich etwas mit den fünfzehn Farben und Fahnen für die Leute machen, die sonst nicht erkennen, um welche Länder es sich handelt.“ Aufträge aus Europa würde er annehmen, meint der Künstler. Aber seine Zukunft sieht er vor Ort. „Nirgendwo herrscht mehr Bedarf als in Afrika.“

Freddy Massamba

 

Dass Kultur Arbeitsplätze schafft, zeigen auch die Ausbildungen, die parallel zum MASA stattfinden – für Kulturjournalismus, Fotografie und andere technische Berufe, ohne die keine Show funktionieren würde. Die Botschafterin der Schweiz überreichte den Praktikanten die Diplome, die ihnen neue Chancen für die Zukunft bieten.

Circus Baobab: Die Frauen werden mit schweren Steinen beladen.

 

MASA zeigt, dass Kultur zur sozialen Kohäsion beiträgt, zur wirtschaftlichen Entwicklung und als afrikanische Soft Power funktioniert. Neben der ivorischen Regierung, die die Kosten der Veranstaltung zu drei Viertel trägt, subventionieren auch die Organisation der Francofonie und der Distrikt von Abidjan, beide Mitglieder im Aufsichtsrat des MASA. Hinzu kommen westafrikanische Organisationen wie die Wirtschaftgemeinschaft CEDEAO oder die westafrikanische Wirtschafts- und Währungsunion UMOA, auch die Europäische Union und Botschaften. Deutschland unterstützt den MASA, indem das Goethe-Institut seinen Saal für das offizielle Programm zur Verfügung stellt. Während einer Woche finden Kulturveranstaltungen auch in anderen Vierteln statt, nicht nur im Kulturpalast.

Generaldirektor Abdramane Kamate zieht auf der Pressekonferenz eine Bilanz.

 

„Kein Budget ist wichtiger als das für Kultur“, behauptet Generaldirektor Kamate. Die Abschlussveranstaltung mit Preisübergaben wird übrigens im ivorischen Fernsehen live übertragen. Die Preisträger erhalten Schecks in Höhe von 2.000 bis 4.500 Euro. Kultur- und Jugendminister unterzeichnen live im TV eine Vereinbarung mit einer Bank über mehr als 1,5 Millionen Euro für zeitgenössisches kreatives Schaffen in Form von Krediten für Projekte.

 

www.fr.masa.ci

1 Kommentar

  1. Danke, folker.world und danke Martina Zimmermann!
    Wie sehr mich solche Beiträge interessieren. Sie gehören, international verbreitet zu werden! Meine Unterstützung in den Social Medien ist Euch sicher!

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