Raumschiff Utopia

Die Leipziger Liederbühne „MUT.WÜRDE.FREITAGS.“ – Special Guest: Rosa Hoelger / Café Rosa, Leipzig, 11.4.2025

9. September 2025

Lesezeit: 3 Minute(n)

Ein klassischer Veranstaltungsort ist es nicht, das Café Rosa in Leipzig-Lindenau, aber das tut der Atmosphäre des Abends keinen Abbruch. Vielleicht sogar im Gegenteil: die selbst gemachte Beleuchtung, die phasenweise die Bühne in alle Farben taucht, die liebevolle Umgestaltung des Cafés mit Blumen, Lichterketten, Stuhlreihen und die ungewohnte Abwesenheit männlich gelesener Personen in sichtbaren Rollen erzeugen eine Art Raumschiffgefühl.
Text: Peggy Luck

Aus der Welt gefallen – oder in die Welt gestartet? – ist dort die zweite Ausgabe der FLINTA*-Liederbühne „MUT.WÜRDE.FREITAGS.“, erfunden und moderiert von Masha Potempa mit Co-Moderatorin Ellen Bonte. FLINTA* steht für „Frauen, Lesben, Inter, Nicht-Binäre, Trans und Agender“ und umfasst damit das ganze Spektrum nicht cis-männlicher Personen, welche – auch in der Musikwelt – viel weniger sichtbar sind als ihre Kollegen. Dies war einer der Gründungsimpulse für Masha Potempa. „FLINTA*-Personen sind immer noch krass unterrepräsentiert“, sagt sie. „Bei manchen Festivals liegen die Prozentzahlen im einstelligen Bereich!“ Dabei soll die Reihe nicht nur Diversität im Bereich Liedkunst zeigen und fördern. „Wir haben uns zusätzlich noch ein Thema geleistet – positive Zukunftsvisionen!“ Angesichts der Vielzahl gesellschaftlicher Herausforderungen lädt die Bühne ein, sich nicht schicksalsergeben dem Zynismus anheimzuwerfen, sondern – ja – Mut und Würde zu tanken. Organisatorisch gehört die Bühne zum Verein Leipziger Liederszene, der dafür städtische Förderung bekommt.

Bei der ersten Ausgabe war Szenegröße Alin Coen zu Gast, der das Anliegen so wichtig war, dass sie den Auftakt unterstützte. Fürs zweite Mal haben Potempa und Bonte die Songwriterin Rosa Hoelger aus Eberswalde eingeladen, die vor allem für ihre kreative und punkige Herangehensweise bekannt ist.

Der Abend selbst ist eine Mischung aus Liedern, Talk und Interaktion. Die Gastgeberinnen eröffnen, machen dann die Bühne frei für die „Special Guestin“, unterhalten sich in lockerer Atmosphäre mit ihr über queerfeministische und politische Zukunftsthemen. Das Publikum ist eingeladen, Zukunftswünsche auf Zettel zu schreiben, aus denen das Thema für die nächste Ausgabe gewählt wird. Ein Slot wird für einen Überraschungsgast freigehalten.

v. l. Ellen Bonte, Rosa Hoelger, Masha Potempa

Foto: Usie – Shi Visual

Wie ist das nun, ein reiner FLINTA*-Abend? Ich würde sagen, es ist alles, was ein Liederabend sein kann: berührend, unterhaltsam, komisch, aufregend, witzig, empörend – und vielleicht sogar noch mehr. Während die erste Programmhälfte seitens der neu gestarteten Gastgeberinnen noch etwas unsicher wirkt, trifft der zweite Teil voll ins Schwarze. Hier spielen Masha Potempa und Ellen Bonte die Lieder, die sie zum publikumsgewählten Thema „PoC-Space“ (sichere Räume für People of Color) geschrieben haben. An jeder Stelle merkt man dabei, dass ihnen Gerechtigkeit ein zutiefst empfundenes Anliegen ist, mit dem sie sich intellektuell und künstlerisch befasst haben.

Auch Rosa Hoelger bekommt mehr Raum für ihre Lieder als im ersten Teil, und ein Kracher folgt dem anderen: ein wunderbar sprachverspielter Periodensong („… heute passe ich nicht zu dir – heute passe ich …, heute passe ich nicht mal zu mir“), ein punkig-virtuoser Song über Alltagssituationen an der Tankstation, Selbstironisches über das Hippiedasein – gar nicht so, wie man sich eine Liedermacherin vorstellt, ehrlich bis rotzig, facettenreich, angenehm seltsam.

Ein weiterer Höhepunkt des Abends ist das Lied „Nicht vorbei“, das Masha Potempa zum Mitsingen spielt, ein Lied der stillen Rebellion mit einem Zitat von Sophie Scholl. Übertrieben, mögen einige sagen, aber angesichts der neofaschistischen Zustände unter anderem in den USA vielleicht eher folgerichtig. Das muss man miteinander erstmal aushalten lernen. Das etwa dreißigköpfige, alters- und gendergemischte Publikum geht gut mit, mischt seine Stimmen ein, fordert und bekommt insgesamt vier Zugaben.

Die Wahl am Ende ergibt für die nächste Ausgabe am 12. September 2025 das Thema „Langsamkeit“ – Special Guest ist dann Lokalmatadorin Paula Linke (siehe auch Artikel in folker #1.24), die Ausgabe wird zudem bei Radio Blau, dem freien Radio für Leipzig übertragen. Im Oktober kommt Naomi, im November Inga von der Band Kapa Tult. Dem Raumschiff Utopia sei ein langer Flug beschieden, viele Stammpassagiere und unzählige kleine und große Sterne am diverser werdenden Liederhimmel. 

3
Aufmacher:
Rosa Hoelger

Foto: Usie – Shi Visual

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Werbung

L