Zwischen Regenwald und Strand

27. Rainforest World Music Festival auf Borneo, Sarawak Cultural Village, Kuching, Malaysia, 28.-30.6.2024

4. September 2024

Lesezeit: 4 Minute(n)

Während die Weltmusik ihren Ursprung zum überwiegenden Teil im sogenannten Globalen Süden hat, finden die großen Weltmusikfestivals nach wie vor in erster Linie im Globalen Norden statt – in Europa, Nordamerika, Australien, Neuseeland. Zu den wenigen, aber deshalb umso wichtigeren Ausnahmen gehört das Rainforest World Music Festival, das seit 1998 in Sarawak stattfindet, dem größten Bundesstaat von Malaysia.
Text und Fotos: Wolfgang König

Sarawak liegt im östlichen Teil Malaysias auf Borneo, der drittgrößten Insel der Welt. Kulturell unterscheidet er sich stark vom westlichen Teil, der auf der Landenge zwischen Thailand und Singapur liegt und ethnisch von sunnitischen Malaien dominiert wird, weshalb es dort eine einigermaßen strenge Handhabung des Islam gibt. In Sarawak bilden Malaien nur ein knappes Viertel und Muslime insgesamt nur gute dreißig Prozent der in der Region lebenden Menschen, mit der Folge, dass hier ein entspannterer Islam praktiziert wird. Die Bevölkerung besteht etwa zur Hälfte aus Dayak, indigenen Gruppen, die seit Jahrtausenden hier leben und im neunzehnten Jahrhundert überwiegend christianisiert wurden. Die ethnische Vielfalt Sarawaks, die auch eine große chinesische Community einschließt, ist jedoch keine Quelle permanenter Konflikte. Im Gegenteil, die vielen unterschiedlichen Gruppen leben weitgehend friedlich zusammen.

Eingang zum Sarawak Cultural Village

Sarawaks musikalisches Symbol ist die Sape, eine längliche Laute, die ursprünglich nur zwei Saiten hatte: eine für die Melodie, die andere für einen konstanten Grundton. Die ältesten Darstellungen des Instruments reichen über eintausendzweihundert Jahre zurück; trotzdem stand es in den 1990ern vor dem Aus, weil es als absolut uncool galt. Das Bestreben, der Sape wieder jüngere Spieler zu erschließen, war 1998 einer der Hauptgründe dafür, das Rainforest World Music Festival (RWMF) ins Leben zu rufen. Was mit 300 Besuchenden begann, hatte in diesem Jahr mit etwa 25.000 schon fast wieder den Stand von 2019 erreicht, der letzten Ausgabe vor der Pandemie. Und auch in Sachen Sape hat sich eine Menge getan. Es gibt sie mittlerweile mit drei, vier oder sechs Saiten. Sie wird wieder überall gespielt, oft auch elektrifiziert, und gilt inzwischen sogar als Nationalinstrument von ganz Malaysia.

Vier- und sechssaitige Sape-Varianten

Auch die 27. Ausgabe des RWMF fand wieder etwa 30 Kilometer nördlich der Hauptstadt Kuching im Sarawak Cultural Village (SCV) statt, einem Freilichtmuseum zwischen dem mit einem der ältesten Regenwälder der Erde bewachsenen 810 Meter hohen Mount Santubong und dem Strand am Südchinesischen Meer. Das SCV ist den vielen verschiedenen Kulturen Sarawaks gewidmet und präsentiert zum Beispiel deren unterschiedliche Haustypen. In vielen dieser Häuser finden tagsüber Workshops statt, während es für die Abendkonzerte zwei große Bühnen vor der Regenwaldkulisse gibt: die Tree Stage und die Jungle Stage, beide mit großen Bildschirmen an den Seiten, damit auch die weiter entfernt Stehenden einen Eindruck vom Geschehen auf der Bühne erhalten.

Kitarō

 

In diesem Jahr kam das Budget spät und war auch kleiner als erhofft, sodass im Wesentlichen Künstlerinnen und Künstler aus dem südostasiatischen Raum eingeladen wurden. Das gab zumindest den Besucherinnen und Besuchern von weiter weg die Chance, viele ihnen noch unbekannte Gruppen zu erleben. Speziell für das Festival zusammengestellt wurde das Borneo Collective. Vier Sape-Spieler aus unterschiedlichen Generationen wurden begleitet von Rahmentrommel und Tablas, zwei Bläsern und einer Rhythmusgruppe mit elektrischer Gitarre, Keyboards, E-Bass und Schlagzeug. Die hypnotischen Melodien der Sape trafen auf Jazz- und Funk-Arrangements des Pianisten Michael Veerapen. Trotzdem wirkte die Musik wie aus einem Guss.

Gamelanworkshop

 

Die Sape-Spielerin und Sängerin Alena Murang, die inzwischen in Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur lebt, ist mit ihrem Instrument sogar in der Popmusik erfolgreich. Das Rainforest-Publikum sang viele ihrer Lieder mit. An einem Künstler jedoch schieden sich die Geister: Der japanische New Age-Star Kitarō war für viele der entscheidende Grund gewesen, das RWMF 2024 zu besuchen. Für andere waren seine sphärischen Sounds dagegen nur bessere Fahrstuhlmusik.

Borneo Collective

 

Neben dem Borneo Collective bot das Rainforest Festival auch andere interessante musikalische Fusionen. Die indonesische Band Krakatau Ethno aus Bandung in Westjava verknüpfte die uralte Gamelantradition mit Jazzfunk à la Herbie Hancock. Besonders gut beim Publikum kam die Gruppe Bourbon Lassi an. Geleitet wird das Quintett von dem in Kuala Lumpur lebenden australischen Bluesgitarristen Jamie Wilson und dem Malaysier Kumar Karthigesu, der sein Instrument, die Sitar, in der nordindischen Heimat seiner Großeltern erlernte. E-Bass, Schlagzeug und Tablas vervollständigen diese wohl weltweit einzigartige Besetzung. Ist Bluesrock auf der Sitar machbar? „Warum nicht?“, sagt Karthigesu. „Du kannst Jimi Hendrix auf der Sitar und Ravi Shankar auf der Gitarre spielen.“ Und Jamie Wilson ergänzt: „Für uns ist Musik einfach Musik. Wenn du dich intensiv mit einer anderen Musikkultur beschäftigst, dich hineinarbeitest und sie mit deiner eigenen verbindest, dann ist das doch viel wichtiger als irgendwelche technischen Details.“

Sape-Workshop

 

Das Finale beim diesjährigen Rainforest World Music Festival bestritt eine Gruppe aus Singapur mit Musik, die man dort nicht unbedingt erwarten würde: Salsa. Die Band Havana Social Club um den kubanischen Drummer Pablo Calzado, der seit 2008 in dem Stadtstaat lebt, ist ein multinationales Projekt mit Mitgliedern aus Kuba, Kolumbien, Singapur, England, Norwegen und Kalifornien. Die waren zum großen Teil nicht von Anfang an mit dieser Musik vertraut, aber inzwischen spielen die meisten sie seit zehn Jahren und sind fit darin. Das Publikum, das ungeachtet des Regens ausharrte, zeigte, dass man auch in Südostasien Mambo, Cha-Cha-Cha und andere kubanische Stile zu tanzen weiß. Auch das wohl ein Resultat von 26 Jahren Rainforest World Music Festival.

www.rwmf.net

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