Die große Politik ist bekannt, aber was im Kleinen passierte in den zwölf Jahren des „Tausendjährigen Reiches“, wurde lange lieber totgeschwiegen, all die kleinen Helfershelfer des Hitler-Regimes, von denen später keiner ein Nazi gewesen sein wollte. „Wenn hier keiner ein Nazi war, dann war ich eben der einzige“, heißt es in einem der Lieder des Albums, die der Umgang mit dieser Auf- oder besser Nichtaufarbeitung in Jever aus der Perspektive zweier Überlebender beschäftigt: Fritz Levy (1901-1982), ein Jude der 1950 in seine Heimatstadt zurückkehrte und noch immer auf Hass und Ablehnung, aber auch auf Scham und Schulverdrängung stieß, und Oswald Andrae (1926-1997), niederdeutscher Lyriker, Erzähler und Dramatiker, der sich in seinen Werken mit Flucht, Verfolgung, Vertreibung und Rückkehr beschäftigt hat. Dieser beiden Zeitzeugen nehmen sich die Jeverer Musiker Iko Andrae (Kontrabass, Gesang), Eckhard Hartjes (Gitarre, Gesang) und Andreas Bahli Bahlmann (Schlagzeug) sowie Stephen C. Josephs (Querflöte) und Colin Pohl (Saxofon) an. Stilistisch spielen sie verschiedene Arten von Rock, Blues, Country und auch etwas Jazz. Die Texte sind großenteils von Fritz Levy und Oswald Andrae, aber auch von den Musikern. Die Texte Levys klingen dabei wie einfach erzählt, ohne Reim, aber von den Beteiligten gekonnt in Versmaß und Rhythmus gebracht. Sie erschließen sich indes nicht alle von selbst, aber schon mit Hilfe des Beiheftes und eines beigelegten Infoblattes. Es ist schwere Kost, aber geht musikalisch gut rein.

Michael A. Schmiedel