Mit dem Untertitel „Schluss mit der Gemütlichkeit, dafür habe ich keine Zeit. Hallo, es wird nicht eingeschlafen!“ auf dem Titelblatt stimmt der Verlag auf die Sammlung von 110 Texten aus der Feder dieser unermüdlichen Musikerin, Poetin und Aktivistin ein, die stets an mehreren Projekten gleichzeitig und gleichermaßen überzeugend arbeitet. In chronologischer Abfolge sind da zunächst die intelligenten Lieder ihrer früheren All-Girls-Band Die Braut haut ins Auge, die dem Genre der Hamburger Schule ab den frühen Neunzigern eine der raren weiblichen Positionen entgegenstellte, gefolgt von denen der Soloplatten und einigen aus Gemeinschaftsproduktionen wie Die Zukunft (mit Knarf Rellöm und Guz von den Aeronauten), aus Chorprojekten wie dem Chor der Statistik, Theaterkontexten und welchen, bei denen ihre Tochter Ella Mae mitsingt, die inzwischen erwachsen ist. Es ist super, diese Texte in Ruhe lesen zu können! So offenbart sich, dass es möglich ist, selbst die krassesten Missstände in Songtexten aufzugreifen, ohne dass es verkrampft, peinlich oder eitel wird. Im Gegenteil: Sie bringen Themen auf eine schöne, eindrucksvolle und verbindende Art in unser Bewusstsein, wie es einzigartig durch eine gelungene Synthese mit Musik passieren kann. Feminismus, Gesellschafts- und Klimapolitik sind hier nicht poetisch verschleiert, sondern poetisch geklärt. Natürlich enthält der Band auch Fotos, nicht nur die der Plattencover. Und ganz wichtig sind die Kommentare, die ergänzen und erhellen, worüber wir vielleicht schon seit Jahrzehnten grübeln. Endlich erfahren wir, was das seltsame „Kuch-kuch“ am Ende vom Braut-Song „Lauf los“ bedeutet. Und das Geheimnis hinter der Tatsache, warum La Hengst nicht nur so gut texten und toll Musik machen, sondern auch so laut singen kann.

Imke Staats